Jahresbericht zu Antiziganismus in Deutschland

September 21st, 2023  |  Published in Dokumente & Berichte, Einrichtungen, Rassismus & Menschenrechte

Jahresbericht 2022Die deutsche bundesweite Melde- und Infor­ma­tions­stelle Anti­ziga­nis­mus (MIA) ver­öffent­licht ihren ersten Jahres­be­richt (für das Jahr 2022) zu anti­ziga­nis­ti­schen Vor­fäl­len in Deutschland

→Download: Jahresbericht (pdf)

Für das Jahr 2022 haben MIA und ihre regiona­len Melde­stellen bundes­weit ins­gesamt 621 anti­ziganis­tische Vorfälle erfasst. Die für das Jahr 2022 er­fassten Vorfälle zeigen, dass Anti­ziganis­mus für Betrof­fene all­täglich ist. Jeder vierte Vorfall (158 Fälle) lässt sich dem Alltag zu­ord­nen. Auch im Wohn­kon­text (121 Fälle) sowie im Umgang mit Be­hörden (119 Fälle) sind zahl­reiche Vor­fälle er­fasst worden.

Bei den Vorfällen stechen besonders zwei Aspekte ins Auge: Mehr als die Hälfte der Vor­fälle fiel auf die Vorfall­art der Dis­krimi­nie­rung. Etwa die Hälfte der Fälle anti­ziga­nis­tischer Dis­krimi­nierung fand auf insti­tu­tio­neller Ebene statt. Beson­ders gra­vie­rende Vorfälle fanden sich im Kontext von Polizei, Jugend­amt, Job­center sowie von kom­munalen Ver­waltun­gen, die für die Unter­bringung von Ge­flüchteten zu­ständig sind. Dass so viele der Vorfälle im Kontext von staat­lichen Behörden statt­finden, zeigt die immense Lücke des All­ge­meinen Gleich­be­hand­lungs­ge­setzes (AGG) auf, welches sich aktuell auf den Bereich des privaten Rechts be­schränkt. MIA fordert eine Reform des All­gemeinen Gleich­be­hand­lungs­ge­setzes, so dass Dis­krimi­nierung durch staat­li­che Behörden ge­ahndet werden kann.

Die zweite auffällige Entwicklung ist der Antiziganismus gegenüber geflüch­teten Roma aus der Ukraine. Die Be­nach­teili­gung von ukrai­nischen Roma durch­zieht ver­schiedene Lebens­bereiche von der Einreise über die Unter­bringung bis hin zum Bildungs­bereich. In etwa einem Siebtel der doku­men­tier­ten Fälle von Anti­ziganismus waren ukrai­nische Roma betrof­fen. Dr. Daimagüler, Be­auf­tragter der Bundes­regierung gegen Antiziganismus und für das Leben der Sinti und Roma in Deutsch­land, betont daher:

Die Politik ist aufgerufen, Vorhaben zum Schutz vor Rassismus, Dis­krimi­nierung und für die För­derung des gesell­schaft­lichen Zu­sammen­halts voran­zu­treiben. Dazu gehört unter an­derem eine struk­tu­relle Unter­stützung der Betrof­fenen von Hass­krimina­lität durch Rechts­hilfe­fonds und Bera­tungs­netz­werke.

Im ersten Jahr der Dokumentation bundesweiter antiziganistischer Vorfälle fehlt es noch an Ver­gleichs­daten, um Ent­wick­lungen ab­bilden zu können. Mit den von MIA doku­men­tier­ten Vorfällen wird auch nur ein kleiner Teil des im­mensen Dunkel­feldes von anti­ziganis­tischen Vor­komm­nis­sen erhellt. Dennoch geben die Daten einen ersten Überblick über das Ausmaß und die Dimen­sionen von Anti­ziganis­mus in Deut­schland. Dr. Guillermo Ruiz, Bundes­ge­schäfts­führer von MIA, äußert dazu:

Alle sind aufgerufen, antiziganistische Vorfälle zu melden und ihre Stimme gegen Anti­ziganis­mus zu er­heben.

Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma bekräftigt:

Die Bekämpfung des Antiziganismus kann nicht die Aufgabe der Minder­­heit, sondern muss eine Aufgabe un­serer ge­samten Ge­sellschaft sein.

(Text: Pressemitteilung MIA)

Siehe auch:
Deutschland: An­ti­zi­ga­nis­tische Straf­ta­ten 2022, 13.5.2023
MIA: Lage der Ukraine-Flüchtlinge in Sachsen, 30.8.2022

Meldestelle Antiziganismus in Berlin eröffnet, 6.7.2022
Deutscher Antiziganismus-Beauftragter ernannt, 11.3.2022
Deutscher Antiziganismusbericht vorgelegt, 20.5.2021
ZARA-Rassismus-Report 2019 liegt vor, 5.6.2020

Zentralrat: Gewalt besser dokumentieren, 5.5.2020
Berlin: Antiziganismusbericht vorgestellt, 8.10.2019

Report: Antiziganismus online, 13.12.2018
„Gegen Hass im Internet“, 6.8.2018
#GegenHassimNetz stellt sich vor
, 20.4.2018
„Eine Art rassistischer Grundkonsens“, 21.3.2018
3. Antiziganismusbericht präsentiert, 14.12.2017
Aus dem Rassismus-Report 2016 (2), 23.3.2017
Aus dem Rassismus-Report 2016 (1), 22.3.2017
ZARA veröffentlicht Rassismus-Report, 21.3.2017

„Antiziganistische Angriffe geschehen überall“, 4.6.2016
2. Antiziganismus-Bericht
, 29.11.2015
ZARA: Rassismus-Report 2014, 21.3.2015

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