Literatur & Bücher

Buch: Die Diversität der Ausbeutung

März 14th, 2023  |  Published in Literatur & Bücher, Rassismus & Menschenrechte, Wissenschaft

Kritik des herrschenden Antirassismus - Buchcover 2023 (Verlag Dietz Berlin)Eleonora Roldán Mendívil & Bafta Sarbo (Hrsg.): Die Diversität der Aus­beu­tung. Zur Kritik des herr­schen­den Anti­rassis­mus, 3. Aufl., Berlin 2023, 200 S. [→Karl Dietz Ver­lag Berlin]

In Deutschland wird von Antidiskriminierungsstellen bis zur radikalen Linken ein liberaler Rassismus­begriff ver­treten, der vor allem auf Re­prä­sentation, Inklusion und Diver­sität setzt. Wie Klasse und Rasse zu­sammen­hängen, wird aktuell so gut wie nicht dis­kutiert. Dabei gibt es durchaus eine kri­tisch-mar­xis­ti­sche Tradition der Rassismus­forschung. Der Band will diesen Fundus heben. Hierzu werden histo­rische und aktu­elle Dis­kussio­nen aus dem englisch­spra­chi­gen Raum rezipiert sowie aus deutsch­sprachi­gen marxis­tischen Wissens­archiven aktua­lisiert. Gleich­zeitig bietet das Buch eine poli­tische Inter­vention in die aktuelle Debatte um struk­turellen und institu­tio­nellen Rassismus – ob auf dem Arbeits­markt oder bei der Polizei – und prä­sentiert Alter­nativen zum liberalen Anti­rassismus, indem ein marxis­ti­scher Rassismus­begriff in Theorie und Praxis vor­gestellt wird.

Mit Beiträgen von: Celia Bouali, Sebastian Friedrich, Fabian Georgi, Eleo­no­ra Rol­dán Men­dívil, Lea Pilone, Bafta Sarbo, Hannah Vögele und einem Vor­wort von Christian Frings

Zu den Herausgeberinnen:

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The ‘White’ Mask and the ‘Gypsy’ Mask in Film

Februar 21st, 2023  |  Published in Film & Theater, Geschichte & Gedenken, Literatur & Bücher, Rassismus & Menschenrechte, Wissenschaft

White Mask (Buchcover)Radmila Mladenova: The ‘White’ Mask and the ‘Gypsy’ Mask in Film (=Anti­ziganis­mus­for­schung inter­dis­zipli­när – Schriften­reihe der For­schungs­stelle Anti­ziga­nis­mus, Band 3), Heidel­berg University Publishing, Heidel­berg 2022. [CC BY-SA 4.0]

Download (pdf)

Die Studie widmet sich einem in der Filmwissenschaft bis­lang ver­nach­lässig­ten Thema: dem ‚Zigeu­ner‘-Phan­tasma auf der Kino­leinwand. Sie ver­bindet die Re­konstruk­tion der Ge­schichte der ‚Zigeu­ner‘-Dar­stel­lun­gen im Film seit den An­fängen des Mediums mit einer sys­te­mati­schen film­theo­re­tischen Ver­ortung ihrer ästhe­tischen und gesell­schaft­li­chen Funktion. Auf der Grund­lage von über 150 Werken aus dem euro­päischen und US-ame­ri­kani­schen Kino wird auf­ge­zeigt, dass den ,Zigeuner‘-Spiel­film­produk­tio­nen un­ab­hängig von Ort und Zeit ihrer Ent­stehung das Grund­gerüst einer ,ethno-ras­si­schen‘ Mas­kerade ge­mein­sam ist. Read the rest of this entry »

„Facetten des Vagabundierens in Wien“

Februar 9th, 2023  |  Published in Geschichte & Gedenken, Literatur & Bücher, Rassismus & Menschenrechte, Wissenschaft

Buch "Vagabondage" (Verlag Sonderzahl)Andreas Pavlic und Eva Schörkhuber (Hg.): Vagabondage. Histori­sche und zeit­genös­sische Fa­cet­ten des Va­ga­bun­die­rens in Wien, Sonder­zahl: Wien 2022.

[In­halts­ver­zeich­nis (PDF)]

Va · ga · bon · da · ge: Der – laut Duden – spezifisch österreichi­sche Ausdruck benennt die Lebens­form einer Gruppe sozial be­stimm­ter Figuren, oder kurz: Land­streicherei, Herum­treiberei. Im vor­liegen­den Band fokus­siert der Begriff vor allem die künst­lerischen und politischen Aspekte jener Bewe­gungen, die sich in den 1920er Jahren mit großem Selbst­bewusst­sein for­mierten und sogar »Vagabunden­kongresse« ab­hielten. Ein solcher war, nach einer ersten Ver­anstal­tung in Stuttgart 1929, für das Jahr 1930 auch in Wien ge­plant, wurde allerdings nicht reali­siert. Wien, als eines der Gra­vitations­zentren der Land­strei­chen­den, bildet den Aus­gangs­punkt und den Schauplatz einer ein­gehen­den Unter­suchung von Vaga­bund*in­nen­bewe­gungen. Dabei werden historische und kultur­wissen­schaft­liche Per­spektiven mit zeit­genössi­schen Analysen, Stellung­nahmen und Berichten ver­schränkt: Auf diese Weise werden Brüche und Kon­tinuitäten hin­sichtlich sozialer Mechanis­men, künst­lerischer Aus­drucks­formen und politi­scher Orga­ni­sations­formen ausgelotet und zur Sprache gebracht. Der Band stellt dabei sowohl einen Grund­lagen­beitrag als auch eine zur weite­ren Forschung an­regende Anthologie dar.

Wie facettenreich und vielschichtig jene Bevölkerungs­gruppen sind, die als Vaga­bund*in­nen, als ›Nicht-Sesshafte‹ und/oder Wandernde titu­liert werden bzw. sich selbst als solche be­zeichnen, zeigt sich in den historischen und kultur­wissen­schaft­lichen Aus­einander­setzungen ebenso wie in dem Kaleidoskop zeit­genös­sischer Initia­tiven, Be­wegungen, Forschungs- und Kunst­projekten, die sich mit Systemen sozialer Be­ziehun­gen be­fassen, die außer­halb einer etablierten gesell­schaft­lichen Ordnung an­ge­siedelt werden.

Mit Beiträgen von: Averklub Collective, Lisa Bolyos, Ljubomir Bratić, Natalie Deewan, Enesi M., Georg Fingerlos, Peter Haumer, Anna Leder, Alexander Machatschke, Elena Messner, Andreas Pavlic, Maren Rahmann, Georg Rosenitsch, Eva Schörkhuber und Christa Stippinger.

(Text: Verlagsinfo Sonderzahl)

Khetanperipe ando Advent

November 22nd, 2022  |  Published in Brauchtum & Tradition, Literatur & Bücher, Musik, Veranstaltungen & Ausstellungen

Roma-Advent 2022Roma-Advent in Oberwart: Lesung & Konzert

Samstag, 3. De­zem­ber 2022, um 19.00 Uhr im Of­fe­nen Haus Ober­wart (OHO). Ein­tritt frei!

Der traditionelle Roma-Advent wird schon seit vie­len Jah­ren ver­an­stal­tet, um den Stel­len­wert der Kul­tur der Volks­grup­pe der Roma zu stär­ken und in der Öf­fent­lich­keit er­leb­bar zu ma­chen.

Lesung der Roma-Autorin Sladjana Mirkovic und des Ro­ma-Au­tors Samuel Mago.

Im Rahmen der Veranstaltung wer­den auch die jüngs­ten Ver­tre­ter der Volks­grup­pe der Ro­ma vom Musik­pro­jekt „Terne Roma – Junge Roma“ ihr Kön­nen dem Pub­li­kum preis­geben. An­schlie­ßend fin­det ein Konzert mit den burgenländi­schen Ro­ma-Musik­grup­pen Romano Rath und der Leon Berger Band statt. Weiters laden wir die Gäste auf eine kuli­na­ri­sche Reise durch die „Roma-Küche 2.0 – Romano Habe“ ein.

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Leipziger Autoritarismus-Studie 2022

November 10th, 2022  |  Published in Dokumente & Berichte, Literatur & Bücher, Rassismus & Menschenrechte, Wissenschaft

Die jüngsten Ergebnisse der Leipziger Studie sind soeben auch in Buchform erschienenNeue Leipziger Autoritarismus-Studie in Berlin prä­sen­tiert: Deut­sche sind zu­frie­de­ner mit der Staats­form De­mo­kratie. Hass auf ‚Ande­re‘ tritt in den Vor­der­grund. Mas­si­ve Ab­leh­nung von Sinti und Roma sowie Mus­li­men vor al­lem in Ost­deutsch­land.

Die Zufriedenheit der Bürger:innen mit der Demokratie in Deutschland ist in den ver­gange­nen zwei Jahren ge­stiegen, die rechts­extremen Ein­stellungen sind zum Teil deut­lich zurück­ge­gangen. Gleich­zeitig an­ge­stiegen und weit ver­breitet ist der Hass auf Migrant:in­nen, Frauen, Mus­lim:innen und ande­re Gruppen in Deutschland. Zu­dem lassen sich in Folge der Pan­demie ver­stärkte Wünsche nach Autorität fest­stellen. Das sind zentrale Er­geb­nisse der re­prä­sen­tativen „Leip­ziger Auto­rita­ris­mus-Studie“.

Prof. Dr. Oliver Decker und Prof. Dr. Elmar Brähler vom Kom­pe­tenz­zentrum für Rechts­extre­mismus- und De­mo­kratie­for­schung der Univer­sität Leipzig prä­sen­tierten die Studien­ergeb­nisse am 9. Novem­ber in der Bundes­presse­kon­ferenz in Berlin. Die Studie, in der auch Ein­stellungen zu politischen Ent­scheidungen im Hinblick auf die COVID-19-Pan­de­mie und den Krieg gegen die Ukraine the­matisiert werden, ent­stand in Ko­operation mit der Hein­rich-Böll- und der Otto-Bren­ner-Stiftung.

Laut Studie zeigen nur noch 2 Prozent der Ostdeutschen ein geschlos­senes rechts­extremes Weltbild. 2020 waren es noch rund 10 Pro­zent. „Die Zu­stimmung zu rechts­extremen Aus­sagen nimmt nicht nur im gesam­ten Bundes­gebiet ab, sondern ins­beson­dere in Ost­deutschland. Das ist eine gute Nachricht, aber nur das halbe Bild“, sagt Studien­leiter Pro­fessor Oliver Decker. „Wäh­rend Ele­mente einer Neo-NS-Ideo­lo­gie selte­ner sind, haben die Res­sen­timents gegen jene, die als ‚anders‘ em­pfunden werden, sogar zu­ge­nommen“, ergänzt der zweite Studien­leiter Pro­fessor Elmar Brähler. Der Pro­zent­satz der laut Studie „manifest aus­län­der­feind­lich Ein­gestell­ten“ ist im Ver­gleich zu 2020 in Ost­deutschland von 27,8 Prozent auf 31 Pro­zent ge­stiegen, während sie in West­deutschland von 13,7 Prozent auf 12,6 Prozent ge­sunken ist. 40 Prozent der Ost­deutschen geben an, Deutsch­land sei aus ihrer Sicht „durch die vielen Ausländer überfremdet“, auch 23 Pro­zent der West­deutschen stim­men dieser Aussage zu.

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Von, mit oder über Sinti und Roma?

November 1st, 2022  |  Published in Film & Theater, Jugend & Bildung, Literatur & Bücher

Cover Überlegungen zum Themenfeld Antiziganismus und Film. Eine Handreichung für Multiplikator*innen aus Film und Bildungsarbeit

→Hier bestellen (E-Mail) | →Download (pdf)

Welche Filme fallen Ihnen ein, in denen es um Sinti und Roma geht? In wel­chen dieser Filme sind die Roma-Figuren An­wält*in­nen, Lehrer*in­nen oder Buch­händler*in­nen? Und in wie vielen der Filme spielt der Holocaust an Sinti und Roma eine Rolle?

Im europäischen wie im deutschen (Spiel-)Film gibt es wenig Raum für Ge­schich­ten, die einen differen­zierten und inno­vativen Blick auf das Leben der größten Minder­heit Europas werfen. Allzu oft werden statt­dessen Klischees re­pro­duziert, häufig durch eine Fokus­sierung auf Armut, Kriminalität, ver­meint­lich Exoti­sches oder ‚Außen­seitertum‘. Das ist wenig über­ra­schend, denn in Deutschland wie in Europa gehört Anti­ziganismus zur gesell­schaft­li­chen und damit auch zur filmisch wieder­ge­ge­benen Normalität. Die Repro­duktion von aus­gren­zenden und dis­kriminie­renden Stereo­typen in Film und Fernsehen ver­stärkt und legitimiert den gesell­schaft­lichen Aus­schluss einmal mehr. Eine öffentliche Aus­einander­setzung mit der Dis­krimi­nierung von Sinti und Roma und den zu­grunde­lie­genden Ideologien und Strukturen findet kaum statt. Dieses man­gelnde Bewusst­sein über Aus­prägungen und Reich­weite von Anti­ziganismus erschwert, dass sich die Gesell­schaft, und eben auch Film­schaffende, mit dem Thema (selbst-)kri­tisch aus­einan­der­setzen können.

Hier setzt diese Broschüre an: In drei Abschnitten werden antiziganis­tische Bilder im (Spiel-)Film, gän­gige Erzähl­muster und die struk­tu­rellen Hinder­nisse für eine kritische Be­schäf­tigung mit diesen Themen in der Film­land­schaft be­leuchtet. Read the rest of this entry »

Sinti und Roma – Literatur in Deutschland

Oktober 13th, 2022  |  Published in Literatur & Bücher, Radio, Podcast & TV

Bayern 2/RadioWissen: Sinti und Roma – Literatur in Deutschland

Jahrhundertelang wurden die Erzählungen der Sinti und Roma mündlich über­liefert, doch seit dem 20. Jahr­hun­dert blüht über­all in Europa auch eine schrift­liche litera­ri­sche Tra­di­tion auf: in Deutsch­land vor allem nach dem Zweiten Welt­krieg, als die Über­leben­den der Kon­zentravtions­lager zur Feder greifen, um sich Gehör zu ver­schaffen in einer Gesell­schaft, die sie bis heute an den Rand drängt.

Von Brigitte Kohn | 23 Min. | 27.9.2022

(Sendung und Text: BR/RadioWissen)

Wie ein Rom seit 50 Jahren die Welt erschreibt

September 17th, 2022  |  Published in Interview, Literatur & Bücher

Jovan Nikolic (Foto: RomArchive)„Das Exil hat mich auf jeden Fall ge­prägt“ – Das Roma Anti­dis­cri­mi­na­tion Net­work (RAN) sprach mit dem Autor Jovan Nikolić

Jovan Nikolić ist ein in Köln lebender Roma-Schrift­steller. Er stammt aus einer Mu­siker:in­nen-Fa­milie und hat eine Aus­bildung zum Maschi­nen­bau­techni­ker ab­solviert. Jedoch ist es die Literatur, die ihn ein Leben lang be­gleitet. Schon in seiner Jugend be­gann er, Gedichte und Prosa zu ver­fassen. Seither hat er sein Re­pertoire um Kolum­nen, Kabarett und Theater sowie um Musik­texte er­weitert. Bereits in seiner Heimat Jugoslawien wurde er mehr­fach für seine Lite­ratur aus­ge­zeichnet, was sich auch nach seiner Nieder­las­sung in Deutschland fort­setzte. Ende 2021 erschien der Sammel­bandDer Gast nir­gend­woher“ im Drava-Verlag.

Lieber Herr Nikolić, erst einmal vielen Dank für das Interview. Sie sind 1955 in Jugo­slawien ge­bo­ren. Als Rom und Serbe haben Sie ge­misch­te Wurzeln – wie er­leben Sie das?

Ich betrachte mich selbst als „Hybrid-Rom“, also das, was gemein­hin als „Meles“ be­zeich­net wird. Meine Mutter war Serbin aus Belgrad, mein Vater war Rom und Direk­tor der alten Post in Belgrad. Meine Mutter hat als Ama­teurin in Musik­clubs ge­sungen, wo sie auch meinen Vater ge­troffen hat. Ihre Heirat war ein Skandal auf bei­den Seiten der Familie, doch sie bekamen Unter­stützung von den beiden Schwes­tern und der Mutter, die sie in Schutz nahmen. Ich selbst bin dann auch in Belgrad ge­boren. Bis zu meinem 11. Lebens­jahr haben meine Schwester und ich mit unseren Eltern in Hotels gewohnt, weil wir mit der Musik in ganz Jugo­slawien umher­ge­zogen sind. Erst als ich elf Jahre alt war, ist meine Familie in eine Roma-Siedlung um­ge­zogen, in einem Ort namens Čačak, 160 km von Bel­grad entfernt. In der Schule war es deshalb sehr schwierig, sozial anzukommen, auch mit anderen Kindern aus Roma-Familien gab es Proble­me. Zwischen den Stühlen auf­zu­wachsen, so­zu­sagen „ohne Flagge“, hat sich angefühlt wie keine richtige Identität zu ha­ben. Ich hatte nicht wirk­lich die Mög­lich­keit, Freund­schaften zu for­men, und Privat­sphäre hatte ich auch lange keine, weil wir nur ein Zimmer für die ganze Fa­milie hatten.

Manchmal sind wir aber zusammen mit anderen Familien aus dem gleichen großen Orchester in das­selbe Hotel ge­zogen, die waren dann für mich die guten Freunde. In Deutsch­land habe ich keine sol­chen Probleme erfahren. Ich fühlte mich auf­ge­hoben zwi­schen den anderen Künst­ler:innen. Es war ein multi­kulturelles Umfeld, in dem ich keinen Anti­ziganis­mus am eigenen Leib er­fahren habe. Damit will ich nicht sagen, dass es diesen als gesell­schaft­li­ches Problem in Deutschland nicht gäbe, sondern ledig­lich, dass ich davon ver­schont geblieben bin. Read the rest of this entry »

Mariella Mehr (1947–2022)

September 7th, 2022  |  Published in Ehrungen & Nachrufe, Literatur & Bücher

Mariella Mehr (Foto: Schwei­zeri­sches Lite­ratur­archiv)Mariella Mehr ist tot. Sie gilt als die Stim­me der Fah­ren­den und der Sprach­losen. Nun ist die Schwei­zer Auto­rin Mariella Mehr mit 74 Jah­ren ge­stor­ben. Hier ein →Nach­ruf auf ref.ch.

RomArchive über Mariella Mehr:

In ihrem Selbstverständnis sah sich Mariella Mehr klar als Roma-Schrift­stel­lerin, ob­wohl sie der Volks­gruppe der Jenischen an­gehörte. Auf ihre maß­geb­liche Initia­tive hin wurde 2002 die Inter­national Romani Writers Association in Helsinki ge­gründet, der sie zeit­weise als Vize­präsidentin vorstand und die bis 2008 exis­tierte. [...]


Mariella Mehr wurde am 27. Dezember 1947 in Zürich (Schweiz) geboren. Als Angehö­rige der Jenischen war sie seit ihrer frühes­ten Kind­heit von der Aktion »Kinder der Land­strasse« be­troffen. Dieses von der Schwei­zeri­schen Eid­genossen­schaft mit­finanzierte und von der Stiftung Pro Juven­tute ge­leitete »Hilfswerk« nahm zwi­schen 1926 und 1973 rund 600 jenische Kinder ihren Eltern sys­tema­tisch weg, stellte sie unter Vor­mund­schaft und platzier­te sie in Pflege­familien, Heimen und Anstalten. Das Ziel der Aktion war es, die »Kinder der Landstrasse« zu »brauch­baren Glie­dern der Gesell­schaft« zu erziehen, wie es Pro Juventute for­mu­lierte, und so die nicht-sess­hafte Lebens­weise zu be­seitigen. Nach Ein­stellung des Pro­jektes 1973 setzte ein zäher Kampf um die Re­habili­tierung ein.

Mariella Mehr wurde früh von ihrer Mutter getrennt und unter Vor­mund­schaft ge­stellt. Sie wuchs als Zögling der Pro Juven­tute in ver­schie­denen Heimen, bei Pflege­eltern und in psychiatri­schen An­stalten auf. Als sie im Alter von 18 Jahren schwan­ger wurde, wurde sie für 19 Monate im Frauen­gefäng­nis Hindelbank so­genannt »ad­ministrativ versorgt«. Sie gehört zur mitt­leren von drei Genera­tio­nen ihrer Familie, die Opfer des »Hilfswerks« wur­den. Bereits ihre Mutter sowie ihr 1967 ge­borener Sohn wurden zwangs­weise fremd­platziert.

Nach einigen Jahren Fabrikarbeit begann die Autodidaktin Mariella Mehr 1975 ihre journalis­tische, gesell­schafts­politi­sche und schrift­stelleri­sche Tätig­keit. Read the rest of this entry »

Neuerscheinung: Zwei Welten

August 8th, 2022  |  Published in Geschichte & Gedenken, Literatur & Bücher, Wissenschaft

CoverZweiWeltenArnold Weiß/Jakob Michelsen/Moritz Terfloth/Boris Weinrich: Zwei Welten. Sinti und Roma – Schritte zur Anerkennung als NS-Verfolgte und antiziganistische Kontinuität, hrsg. vom Landesverein der Sinti in Hamburg e. V., Metropol Verlag: Berlin 2022, 280 S.

Zur Arbeit des Landesvereins der Sinti in Hamburg als Interessen­ver­tretung und Anlauf­stelle für die Sorgen und Nöte der Men­schen gehört es auch, Ursachen und Grund­lagen der fort­währen­den Dis­kriminie­rung und Aus­grenzung unserer Minderheit zu er­forschen. „Zwei Welten“ ist der Versuch einer Gegen­über­stellung. Einer­seits sollen die wahr­nehmbaren Fortschritte in der gesell­schaftli­chen Anerkennung der Sinti als im National­sozialismus ver­folgte Minderheit in den letzten 70 Jahren gezeigt werden. Dem gegen­über steht die an­dauernde und systema­tische Aus- und Beforschung über 1945 hinaus. Für diese Kontinuität steht beispiel­haft der Arzt und Professor Hermann Arnold (1912–2005). Er trat das geistige Erbe von Robert Ritters Rassen­hygienischer Forschungs­stelle an, deren Mit­arbeiter:innen während der NS-Zeit, unter an­derem in Hamburg, Sinti und Roma be­forscht und ge­quält haben und deren Forschungen die Grund­lage für die an­schlie­ßend er­folgten Deporta­tionen bildeten. Als Wissen­schaftler, Amts- und Ge­fängnis­arzt führte Arnold die syste­ma­tische Erfassung und rassistische Kate­gorisie­rung der Sinti und Roma weiter. An­hand aus­ge­wählter Dokumente aus seinem Nachlass im Bundesarchiv werden Arnolds Netzwerke und die Konti­nui­tät der NS-„Zigeuner­forschung“ in der Bundes­republik auf­ge­zeigt.

(Text: metropol-verlag.de)

Die Prüfung der Wiedergutmachungsberechtigung der Zigeuner und Zigeu­ner-Misch­linge […] hat zu dem Ergebnis geführt, daß der ge­nannte Personen­kreis über­wiegend nicht aus rassischen Gründen, son­dern wegen seiner asozialen und kriminellen Haltung ver­folgt und in­haftiert worden ist.“
Das Wiedergutmachungsamt von Württemberg-Baden, 1950; siehe S. 145.

„1 Pers.; leichter Zigeunereinschlag; besser nichts anbieten!“
Vermerk einer norddeutschen Wohnungsgenossenschaft, 2019; siehe S. 197.

(Zit. in: zentralrat.sintiundroma.de)