Geschichte & Gedenken

„Ererbte Biografien im Land der Täter:innen“

Oktober 21st, 2024  |  Published in Geschichte & Gedenken, Interview, Radio, Podcast & TV, Veranstaltungen & Ausstellungen

Radio Stimme auf Orange 94.0
Sendung vom 16.2.2022 (CC BY-NC)

Am 8. November 2021 fand im Repub­lika­nischen Club in Wien eine Diskus­sion mit dem Titel „Ererbte Bio­grafien im Land der Täter:in­nen. Eine Dis­kussion über die Reali­täten der zweiten und dritten Gene­ration nach der Shoah und dem Porajmos“ statt – Poraj­mos be­zeichnet dabei die systema­tische Er­mordung von Rom*nja und Sinti*zze durch die Natio­nal­sozia­list*innen. Bei der Ver­anstal­tung disku­tierten Anna Goldenberg, Samuel Mago und Peter Schwarz, mode­riert von der Histori­kerin Sarah Knoll. Diese span­nende Dis­kussion senden wir erneut in be­arbei­teter Version. Die Teil­neh­mer*in­nen be­richten aus ihren Familien­ge­schich­ten und bringen in ihrer Dis­kussion diverse Facetten des Themen­gebiets um das Erinnern und Gedenken zu­sam­men. Erst­aus­ge­strahlt wurde die Auf­zeichnung von Teilen der Dis­kussion von der VON UNTEN-Re­daktion auf Radio Helsinki.

(cba.fro.at)

Podcast: NS-Verbrecherin Eva Justin

Oktober 8th, 2024  |  Published in Geschichte & Gedenken, Radio, Podcast & TV, Rassismus & Menschenrechte, Wissenschaft

Eva Justin (Bundesarchiv, Bild 146-1986-044-08, CC))Zwischenfälle. Hörgeschichte auf Radio Z
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(25:22 min) [April 2024]

Die selbsternannte Rasseforscherin Eva Justin wurde für ihren Bei­trag zum Völker­mord an Roma und Sinti durch so­ge­nann­te Rasse­gut­ach­ten nie­mals ver­ur­teilt.

An 20.000 Angehörigen der Sinti und Roma wurden während des National­sozialis­mus auf ver­breche­rische Weise so­ge­nannte Rasse­unter­suchun­gen durch­geführt. Maß­geblich beteiligt waren zwei Personen: Robert Ritter, Psychiater und – in der Sprache der Rassisten – „Zi­geuner­forscher“. Und einen großen Teil dieser Unter­suchungen über­nahm die „Rasse­forscherin“ Eva Justin. Sie trat unter ande­rem vehe­ment für Zwangs­sterilisie­rungen ein. Diese Unter­suchungen bildeten die Grund­lage für Zwangs­maß­nahmen gegen Roma und Sinti – bis hin zur Deportation in das so­ge­nannte „Zi­geuner­lager” Auschwitz-Bir­­kenau.

Für ihren Beitrag am Porajmos, dem Völkermord an Roma und Sinti, wurden Ritter und Justin nie­mals verurteilt. Nach dem Krieg wurden sie vom Stadt­gesund­heits­amt Frankfurt in leiten­der Funktion be­schäftigt, Ritter sogar als Ober­medizinal­rat. Read the rest of this entry »

Facts & Figures (530)

September 29th, 2024  |  Published in Facts & Figures, Geschichte & Gedenken

2001 verfassten Roma aus Ko­lum­bi­en, Ecua­dor, Chi­le, Ar­gen­ti­ni­en, Ka­na­da u. USA ei­ne De­cla­ra­tion of the Ro­ma People of the Ame­ri­cas (Ti­tel: The Other Son of Pa­cha Ma­ma – Mo­ther Earth).

(Quelle)

Kundgebung: „Rettet das Mahnmal!“

September 28th, 2024  |  Published in Geschichte & Gedenken, Politik, Veranstaltungen & Ausstellungen

Rettet das MahnmalKundgebung am 28. Sept. 2024 um 18:00 Uhr, Pots­da­mer Platz in Berlin

Wir rufen Euch alle auf zum gemein­sa­men Pro­test für den voll­stän­di­gen Er­halt unse­res Denk­mals für die im Na­tio­nal­sozia­lis­mus er­mor­de­ten Sinti und Roma Eu­ropas!

Unser Denkmal ist durch den geplanten Bau einer S-Bahn­linie massiv be­droht. Dieses Denkmal hat für uns eine große Bedeu­tung: Es erinnert an den Völker­mord an Roma und Sinti in ganz Europa. Für viele von uns Nach­kommen der Ver­folgten ist es ein Ort der Trauer um unsere Toten ohne Gräber. Es ist ein Ort der An­er­ken­nung dieses Ver­brechens und hat eine zentrale Funktion in der Er­inne­rungs­kultur, beson­ders an­ge­sichts des wieder er­star­ken­den Rassismus in Deutschland.

Dank des unermüdlichen Engagements unserer Selbst­organi­satio­nen und solida­rischer Zivil­gesell­schaft wurde 2012 unser Denkmal endlich nach Jahr­zehnten der Leugnung des Völker­mords und Ver­wei­gerung des Gedenkens ein­geweiht. Nun bedrohen massive Eingriffe die Integrität des Denkmals und damit die Erinne­rung an den an Rom:nja und Sin­ti:zze be­gange­nen Völkermord. Die Be­einträch­ti­gung des Denkmals und der Umgang mit uns kommt einer Rück­nahme der hart er­kämpften politi­schen An­erken­nung unseres Leids gleich!

Die politisch Verantwortlichen auf Berliner und Bundesebene müssen ihrer er­inne­rungs­politi­schen Zusage und Ver­pflich­tung nach­kommen. Es ist nicht hin­nehmbar, dass nur zehn Jahre nach seiner Errichtung dieses lang er­kämpfte Denkmal nun ge­schädigt werden soll. Wir fordern sie nach­drücklich auf, eine der be­ste­henden alter­nativen Trassen­führungen zu wählen, um die Un­versehrt­heit des Mahnmals zu wahren. Read the rest of this entry »

In Ketten: Die Versklavung der Roma

September 22nd, 2024  |  Published in Geschichte & Gedenken, Radio, Podcast & TV



Podcast Alle Zeit der Welt, 19.9.2024

Heute möchten wir auf die jüngste Folge des Geschichts­podcasts „Alle Zeit der Welt“ hin­weisen – eine Folge, an deren Zu­stande­kommen wir wohl nicht ganz un­beteiligt sind:

Seit Jahrhunderten sehen sich die Roma in Europa Diskrimi­nie­rung, Unter­drückung und Leid aus­ge­setzt. Aber woher stammen Sinti und Roma? Heute richten wir unser Augen­merk auf Theorien über ihren Weg nach Europa und ein be­son­ders düsteres Kapitel nach ihrer An­­kunft: die Ver­sklavung der Roma-Ge­mein­schaf­ten in Teilen Ost­europas, eine Praxis, die bis weit ins 19. Jahr­hun­dert hinein an­dauerte.

(Text und Sendung: Alle Zeit der Welt)

Podcast: Bürgerrechtsaktivistin Ilona Lagrene

September 20th, 2024  |  Published in Geschichte & Gedenken, Radio, Podcast & TV

Ilona Lagrene (Foto: Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma)Zwischenfälle. Hörgeschichte auf Radio Z
→zur Sendung
(22:06 min) [2022]

Erst Jahrzehnte nach dem Völkermord an Sinti und Roma durch Nazi­deutsch­land er­kämpf­ten Ak­ti­vist*in­nen die of­fi­zielle An­er­ken­nung der Ver­brechen und Ent­schä­di­gung für die Opfer. Die­­sem Kampf wid­mete die Hei­del­ber­ge­rin Ilona Lagrene (1950–2023) ihr Le­ben.

Bis in die 80er Jahre hinein wurden sie diskriminierend „Zigeuner“ ge­nannt. Erst seit 1997 sind sie in Deutschland als natio­nale Minder­heit unter der Be­zeich­nung Roma und Sinti an­erkannt. Die Geschichte ihrer Dis­krimi­nierung ist 1000 Jahre alt. Der Anti­ziganismus folgte dem gleichen Muster und den gleichen Wellen wie der Anti­semitis­mus. Wie die Juden wurden auch die An­ge­hörigen der Sinti und Roma Opfer der national­sozialis­tischen Ver­nichtungs­politik. Eine der vielen ver­breche­ri­schen Kon­tinui­täten nach 1945 war: Die Verfolgten wurden nicht etwa ent­schädigt, sondern weiter krimi­nalisiert und be­nach­teiligt. In den 70er Jahren des vorigen Jahr­hun­derts begann ein jahr­zehnte­langer Kampf um An­erkennung. Einer der wichtigen Akti­vist*in­nen in diesem Kampf ist die Sin­tezza Ilona Lagrene.

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Die Kriminalpolizei im „Dritten Reich“

September 8th, 2024  |  Published in Einrichtungen, Geschichte & Gedenken, Literatur & Bücher, Wissenschaft

StegererEberhard Stegerer: Die Kriminalpolizei im „Dritten Reich“: Dr. Bern­hard Weh­ner – ein poli­tisch un­ab­hän­gi­ger Ex­perte des Reichs­kri­minal­polizei­amtes? Pub­li­ka­tio­nen im Kon­text der Nach­kriegs­nar­ra­tive und -kon­ti­nu­i­täten in der Kriminal­polizei der Bun­des­­repub­lik Deutsch­land, Cvil­lier Ver­lag: Göt­tin­gen 2023 (348 S.)

Die Verbrechensbekämpfung gehörte nicht zu den zentralen Politik­feldern des national­sozialis­ti­schen Re­gimes, trotz­dem zählte die Kriminal­polizei „zum Kern und Macht­zentrum“ dieses völki­schen Maß­nahmen­staates. Die Kontrolle der Krimi­nalität und die Ver­fol­gung von so­ge­nann­ten ‚Berufs­ver­brechern‘ und sozialen Rand­gruppen waren wesent­liche Ele­mente natio­nal­sozialis­ti­scher Gesell­schafts­politik. Eine von Himmler 1937 zentra­li­sierte, im Reichs­kriminal­polizei­amt (RKPA) ver­reich­lichte und 1939 in das Reichs­sicherheits­haupt­amt (RSHA) in­tegrierte Kriminal­polizei wurde ein wirkungs­volles Werk­zeug des NS-Staates und voll­zog Maß­nahmen zur ,Vor­beu­genden Ver­brechens­be­kämpfung‘ zum Schutz der national­sozialis­tischen ‚Volks­gemeinschaft‘, vor allem auch zum Schutz ihrer ver­meintli­chen biolo­gischen Substanz. In diesem Rahmen wurden sowohl im Deutschen Reich als auch in den von der Deutschen Wehrmacht okku­pierten Gebieten rund 110.000 Men­schen von der Kriminal­polizei als ‚Ver­brecher‘ oder ‚Asoziale‘ in Kon­zentra­tions­lager deportiert, wo meh­rere Zehn­tausend den Tod fanden. Zudem ver­schleppte die Kriminal­polizei weit über 40.000 Sinti und Roma, die fast alle in der Folge umkamen. Die Deporta­tionen wären ohne die Kriminal­polizei nicht möglich gewesen, sie wurde damit auch in den Einsatz­gruppen der Ge­heimen Staats­polizei (Gestapo) und des Sicher­heits­dienstes (SD) zum Voll­strecker der national­sozialis­tischen Ver­nichtungs­politik. Read the rest of this entry »

„Wir haben doch nichts getan …“

August 31st, 2024  |  Published in Film & Theater, Geschichte & Gedenken, Interview, Radio, Podcast & TV

Der Völkermord an den Sinti und Roma. Spuren der NS-Zeit
Planet Schule/SWR, 23.4.2024

Jedes Jahr, am 2. August gedenken Sinti und Roma in Auschwitz ihrer ermor­deten An­gehöri­gen. Der Film zeichnet die wich­tigsten Stationen einiger Leidens­wege nach, fünf Über­lebende be­richten über ihr Schicksal: Hildegard Franz, deren Mann und drei Kinder in Auschwitz er­mordet wurden; Mano und Hugo Höllenreiner, die gerade mal zehn Jahre alt waren, als sie depor­tiert wurden und die in Auschwitz er­fahren mussten, welche Folgen die Ex­peri­mente des Lager­arztes Josef Mengele hatten; Lily van Angeren, die als Lager­schrei­berin die Namen aller Toten registrie­ren musste. Und Josef „Muscha“ Müller, der in einer Pflege­familie aufwuchs und nicht ahnte, dass seine leib­lichen Eltern Sinti waren. Er hat überlebt, weil seine Pflege­eltern ihn monate­lang in einer Garten­laube ver­steckt hielten und so dem Zu­griff der Behörden entzogen.

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Düsseldorf: Ausgrenzung und Faszination

August 22nd, 2024  |  Published in Geschichte & Gedenken, Literatur & Bücher, Wissenschaft

Buchcover "Ausgrenzung und Faszination"Bastian Fleermann: Ausgrenzung und Faszination. Sinti und Roma in Düsseldorf und im nördlichen Rheinland vom Spätmittelalter bis zum Ersten Weltkrieg, C. W. Leske Verlag: Düsseldorf 2024 (216 Seiten).

Faszination, Koexistenz und Ausgrenzung: Nicht immer, aber sehr oft trafen die Sinti und die Roma auf Argwohn und Ver­achtung. Erst­mals spürt eine Über­blicks­studie dieser Minderheit und dem Umgang mit ihr in einem um­grenzten Raum über mehrere Jahr­hun­derte hinweg nach – und kommt zu er­staun­lichen Er­geb­nissen.

Schon in der Mitte des 15. Jahrhunderts gewährte ein Schutzbrief einer Roma-Grup­pe in Düsseldorf und im Herzog­tum Berg freies Geleit. Seit dieser Zeit lebten Roma, Sinti und andere Völker, von der Mehr­heits­gesell­schaft zu­nächst als »Czygeiner« be­zeich­net, im nördli­chen Rheinland. Die hier erstmals zu­sam­men­getra­genen Quellen belegen neben An­fein­dun­gen und Aus­grenzun­gen auch Phasen friedlicher Ko­existenz und Zusammen­arbeit. Sie zeichnen das Bild einer viel­fältigen Minder­heit, die sehr ge­schickte Über­lebens- und An­passungs­strategien ent­wickelte, um staat­licher Re­pression zu ent­gehen und sich in der Region zu be­haup­ten. Und sie lassen eine Alltags­ebene sichtbar werden, die nur schein­bar mit den parallel ent­stande­nen populä­ren »Zigeu­ner«-Bil­dern kor­respon­diert: Der Kitsch in der Kunst oder auf der Bühne, auf Foto­postkarten oder in Schauer­geschich­ten hatte mit der Lebens­realität von Sinti oder Roma so gut wie nichts zu tun. Read the rest of this entry »

2. August wird nationaler Roma-Gedenktag

August 2nd, 2024  |  Published in Geschichte & Gedenken, Politik

Gedenktag 2. August (Bild: Roma Center e.V.)Die österreichische Bundesregierung erklärt den 2. Au­gust zum nationalen Gedenktag für die wäh­rend des Na­tio­nal­sozia­lis­mus er­mor­de­ten Roma und Sinti

In der Vergangenheit wurde den Roma unvorstell­bare Brutalität und Grau­sam­keit angetan, ins­beson­dere während des Holocausts. Um das An­denken an die Opfer zu bewahren führt die Bundes­regierung daher einen natio­nalen Gedenktag für Roma und Romnja sowie Sinti und Sintizze ein. Dieser Schritt zeigt die Ent­schlos­sen­heit, die Erinnerungs­arbeit weiter voran­zu­treiben. Der 2. August wird durch den heutigen Minis­ter­rats­be­schluss auf Basis eines Ent­schlie­ßungs­antrages des Na­tio­nalrates daher ein nationaler Gedenktag, der an die während des National­sozialis­mus er­mordeten Roma und Sinti erinnert. Das Euro­päische Parlament hatte den 2. August bereits 2015 zum Euro­päischen Ho­lo­caust-Ge­denk­tag für Roma und Sinti erklärt. Der 2. August ist von ent­schei­dender Be­deutung, um an die Opfer zu erinnern und eine Mahnung an zu­künftige Gene­ratio­nen zu senden.

„Die Republik Österreich übernimmt mit dem Beschluss der Bundes­regierung, den 2. August zum nationalen Gedenktag für den Völkermord an den Roma und Sinti zu er­klären, echte Ver­antwortung, dass das Leid, das An­gehö­rigen dieser Volksgruppen angetan wurde, öffent­lich und gemein­sam an­erkannt wird. Von 11.000 in Österreich leben­den Roma und Sinti überlebte ledig­lich ein Drittel den Holocaust. [Anm. der Red.: diese Zahl ist völlig ver­altet, tat­sächlich über­lebten den Genozid nur etwa 10%, nach ande­ren An­gaben 15%.] Ins­gesamt hat der Nazi-Terror 500.000 Roma und Romnja er­mordet. Auch nach der Befreiung vom Nazi-Regime wurde diese Opfer­gruppe nicht nur ver­gessen, sondern weiter­hin ignoriert, dis­krimi­niert und an den Rand der Gesell­schaft gedrängt. Damit muss Schluss sein. Mit dem heutigen Tag senden wir ein weiteres Signal: Leid kann nicht un­ge­schehen gemacht werden, aber wir wollen ver­hindern, dass dieses Leid ver­gessen wird“, so Vize­kanzler Werner Kogler.

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