Recht & Gericht

Antiziganismus auf kommunaler Ebene

April 27th, 2024  |  Published in Dokumente & Berichte, Jugend & Bildung, Politik, Rassismus & Menschenrechte, Recht & Gericht

Broschüre: Institutioneller Antiziganismus auf kommunaler EbeneInstitutioneller Antiziganismus auf kommunaler Ebene – Ein­führung und Praxis­per­spek­ti­ven aus der Bil­dungs­ar­beit mit Be­hör­den­mit­ar­bei­ten­den

Eine Handreichung des Bildungsforums gegen Anti­zi­ga­nis­mus für Mul­tip­li­ka­tor*in­nen aus Ver­wal­tung, So­zia­ler Ar­beit und Bil­dungs­ar­beit, Berlin/Hei­del­berg 2023 (36 S.)

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Antiziganismus äußert sich nicht nur durch individuelle Einstellun­gen, Haltungen und daraus resul­tie­rende Handlun­gen. Rassismus gegen Sinti* und Roma* voll­zieht sich häufig auch auf der Ebene von gesell­schaft­lichen Institu­tionen und Orga­nisa­tionen, die mehr sind als die bloße Summe indivi­dueller Handlungen. Bei institu­tio­nel­len Formen des Anti­ziganis­mus kommen unter ande­rem Hand­lungs­routinen, Ver­fahrens­regelun­gen und Arbeits­kulturen zum Tragen, die zu einer Praxis der syste­mati­schen Ungleich­behand­lung von Sinti* und Roma* führen.

Die Existenz von institutionellem Antiziganismus bestätigte sich jüngst erneut durch den erst­mals ver­öffent­lich­ten Jahres­bericht der bun­des­weiten Melde- und Infor­mations­stelle Anti­ziganismus (MIA). Ein zentrales Er­gebnis des Berichts ist, „dass bei etwa einem Drittel der Fälle die Ver­ant­wort­li­chen für den Anti­ziganismus nicht als Privat­per­sonen handelten, sondern sich in einer bestimm­ten Rolle oder Funktion be­fanden – z.B. Poli­zist*in­nen, Sach­be­arbeiter*in­nen von Job­centern oder Jugend­ämtern, Personen in politi­schen Ämtern wie Bürger­meister*in­nen oder Mandats­trä­ger*in­nen“.

Mit der vorliegenden Handreichung, die in Zusammenarbeit des Bildungs­forums gegen Anti­ziganis­mus des Doku­menta­tions- und Kultur­zentrums Deutscher Sinti und Roma mit dem Forschungs­institut Gesell­schaft­licher Zu­sammen­halt und dem Zentrum für Anti­semitismus­forschung an der Tech­ni­schen Universität Berlin ent­standen ist, wird ein Schwer­punkt auf institu­tionellen Anti­ziganismus auf der kom­munalen Ebene gelegt. Die Broschüre der Autor*in­nen Tobias Neuburger, Georgi Ivanov und Sara Pasquali rich­tet sich ins­beson­dere an Multi­plika­tor*innen aus der Ver­waltung, der Sozialen Arbeit sowie dem Bereich Bildung. Read the rest of this entry »

30 Jahre Anerkennung

Dezember 16th, 2023  |  Published in Politik, Recht & Gericht, dROMa (Magazin)

PARLAMENT | PARLAMENTO: Festakt zum Jubiläum am Roma-Tag 2023 | Mulatintschago uso jubilejum upro Romengero-Di 2023 (Foto/kipo: Parlamentsdirektion/Thomas Topf)30 berscha aunprindscharipe


Der 16. Dezember 1993 markiert den Wende­punkt in der Ge­schich­te der ös­ter­rei­chi­schen Roma. An die­sem Tag wur­den die Roma und Sinti als „Volks­gruppe der Roma“ of­fi­zi­ell an­er­kannt.

Eine Woche später trat diese Verordnung mit der Verlaut­barung im Bundes­gesetz­blatt in Kraft. Am 5. Sep­tember 1995 kon­stitiu­ierte sich der Roma-Volks­gruppen­beirat als offi­zielles Ver­tretungs­gremium. Grund­lage war das Volks­gruppen­gesetz, das den autochthonen (lange hier be­heima­teten) Minder­heiten Schutz und Förderung garan­tiert. Die Roma hatten nun als sechste Volks­gruppe das Recht auf beson­deren Schutz, um ihre Kultur, Sprache und Iden­tität zu be­wahren. Aus­gespart blieben aller­dings weiter­hin die erst später zu­gewan­der­ten Roma.

Lange hatte sich die Politik quergelegt. Den – seit Jahr­hunder­ten hier leben­den – Roma wurde die Quali­fikation als „Volksgruppe“ ab­ge­sprochen, weil ihnen „die Bindung an eine an­ge­stammte Heimat“ abgehe. Sogar noch 1991 schloss das Bundes­kanz­ler­amt eine An­er­kennung aus. Dann aber ging alles schnell: Im Juli 1992 kam es zur Anhörung der Roma im Par­lament. „Österreich ist nicht unser Gast­land, son­dern unser Vater- und Mutter­land zugleich“, hieß es in dem Appell der Roma-Ver­treter Emme­rich Gärt­ner-Hor­vath und Rudolf Sarközi. Read the rest of this entry »

Volksgruppen: Was ist was? | So hi so?

Dezember 16th, 2023  |  Published in Einrichtungen, Politik, Recht & Gericht, dROMa (Magazin)

Glossar zum Volksgruppengesetz in Österreich (Foto: Tumisu/Pixabay)30 Jahre Anerkennung / 30 berscha aun­prindscharipe

GLOSSAR / ERKLERINIPE

Volksgruppengesetz
Das Volksgruppengesetz von 1976 garantiert den autoch­thonen (ein­ge­ses­senen) Minder­heiten Schutz und beson­dere Rechte. Unter „Volks­gruppen“ ver­steht die Rechts­ordnung „die in Teilen des Bundes­gebietes wohn­haften und be­heima­teten Gruppen öster­rei­chi­scher Staats­bürger mit nicht­deutscher Mutter­sprache und eige­nem Volkstum“. Neben den Roma sind dies die Kroaten, Ungarn, Slowenen, Tschechen und Slowaken.
Flogoskero grupnengero tschatschipe
O flogoskero grupnengero tschatschipe andar 1976 le autoch­toni (tel beschte) tschu­lip­tschenge, arakipe taj barika­ne tschatschip­tscha, del. Telal „flogos­kere grupn“ hajol o tscha­tschipe, „grupn, save ande falati le bun­dakere tha­nestar atschon taj khere hi taj save austri­tike schto­tiskere polgar­tscha na nimtschka dajakera tschib­tschaha taj ajgeni tradi­cijaha hi“. Pasche o Roma, hi odola o horvacke, ungrike, slove­nitike, tsche­chitike taj slovakitike.


Volksgruppenbeirat
Für jede Volksgruppe ist laut Gesetz beim Bundeskanzleramt ein Gremium „zur Beratung der Bundes­regierung und der Bundes­minister“ ein­zu­richten. Diese Volks­gruppen­beiräte ver­treten die Inter­essen der gesam­ten Volksgruppe, etwa bei der Verteilung von Förder­geldern. Sie haben ein An­hörungs­recht und können Vorschläge vor­bringen. Dem acht­köpfigen Beirat der Roma, der auf vier Jahre ernannt wird, steht seit 2016 Emme­rich Gärt­ner-Hor­vath vor.
Flogoskero grupnengero bajrot
Sakona flogoskera grupnake palo tschatschipe ando bunda­kero kanc­leris­kero birov­tschago, jek gremijum „uso bero­tinipe la bun­dakera regi­runga­tar taj le bunda­kere minis­te­rendar“ te kerel hi. O flogos­kere grup­nengere bajrotscha, o gondi la cila flogos­kera grupnatar fatre­tinen, afka sar uso ulajipe le pomo­scha­gos­kere lojendar. Read the rest of this entry »

Magna Carta aller Menschen

Dezember 10th, 2023  |  Published in Einrichtungen, Rassismus & Menschenrechte, Recht & Gericht, dROMa (Magazin)

Jubiläum: 75 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

ELEANOR ROOSEVELT: Die Vorsitzende der UN-Kommission mit der Menschenrechts-Deklaration von 1948 (Bild: FDR Presidential Library, CC BY 2.0)Am 10. Dezember 1948 verabschiedeten die Ver­ein­ten Natio­nen in Paris die All­ge­meine Er­klä­rung der Men­schen­rechte – eine der raren Stern­stunden der Mensch­heit

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ Mit diesem kraft­vollen Auftakt beginnt das Doku­ment, das 1948 – auf den Trüm­mern von Krieg und Faschismus – eine große Mensch­heits­utopie formu­lierte: Die zivili­sa­to­rische Stärke des Rechts sollte ein für alle Mal das Recht des Stärkeren er­setzen. 75 Jahre später sind die 30 Artikel der UN-Men­schen­rechts­erklärung aber weiter­hin oft nicht viel mehr als schöne Worte. Selbst in etab­lierten Demo­kratien werden sie heute wieder dreist in Frage ge­stellt. Der Konsens von 1948 bröckelt.

Damals hatte sich die Staatengemeinschaft auf diesen globa­len Men­schen­rechts­kodex ver­stän­digt. Bis zuletzt hatte die 18-köpfi­ge UN-Kom­mission unter dem Vorsitz Eleanor Roosevelts, der resolu­ten Gattin des frü­heren US-Prä­si­denten, um jeden Passus ge­feilscht. Doch unter den Vor­zeichen des herauf­däm­mern­den Kalten Krieges gelang, was noch nie ge­lungen war: eine von Regie­rungen auf allen Kon­tinenten gemein­sam ge­tragene Dekla­ration der Rechte, die allen Menschen zu­stehen – un­abhän­gig von Herkunft, Rasse, Ge­schlecht oder Religion. Ein­fach weil sie Men­schen sind.

Die Resolution fand in der Generalversammlung in Paris – ohne Gegen­stimmen und mit nur einigen Ent­haltungen – eine über­wälti­gende Mehrheit. „Wir stehen heute an der Schwelle zu einem großen Ereignis“, so Eleanor Roosevelt in ihrer An­sprache. „Diese Erklärung kann die inter­natio­nale Magna Carta aller Men­schen werden.“

Strahlkraft
In der Tat hatte die Kommission nach zweijähriger Debatte Bahnbrechendes durch­gesetzt. Read the rest of this entry »

Magna Carta le cile manuschendar

Dezember 9th, 2023  |  Published in Einrichtungen, Rassismus & Menschenrechte, Recht & Gericht, dROMa (Magazin)

Jubilejum: 75 berscha genereli erkler­ini­pe le ma­nu­schen­gere tscha­tschip­tschen­­dar

ELEANOR ROOSEVELT: I anglebeschaschkija la UN-komisijonatar la deklaracijonaha le manuschengere tschatschiptschendar andar 1948 (kipo: FDR Presidential Library, CC BY 2.0)Ando 10to decemberi 1948 o Khetane Nacijon­tscha ande Paris o ge­ne­reli erk­le­ri­nipe le ma­nu­schen­gere tscha­tschip­tschen­dar ar dine – jek le tschule oren­dar le ma­nu­schi­pestar

„O cile manuscha naphandle taj glajchi ando pativ taj ando tscha­tschip­tscha hi.“ Adale so­rale ala­ven­ca kes­dinel o doku­mento, savo 1948 – upro pha­gerde koji le habu­ristar taj faschis­musistar – jek bari manu­schen­geri utopija for­muli­rintscha: I civili­sato­rischi sor le tscha­tschi­pestar mindig o tscha­tschipe le sora­lede­ristar te irinel. 75 berscha paloda, o 30 falati le UN-ma­nu­schen­gere tscha­tschi­peskere erk­leri­ni­pestar, ham tschak buter, schukar alava hi. Muguli ande latsche demo­kra­ciji, adi papal ando phu­tscha­jipe ter­dscharde le on. O khetano hango andar o bersch 1948 tschurel.

Ande oja cajt, o schtotschengero khetanipe oda globali manuschen­gero tscha­tschi­pes­kero kodeks, ari dija. Dschi­jakana, i 18-sche­ros­keri UN-ko­mi­si­jona telal i angle­be­schasch­kija Eleanor Roosevelt, i sorali dschuvli le agune US-pre­siden­tostar, vasch sako koja kejmpfin­lahi. Ham telal o anglunte cajchn le upre ale schudre haburistar schofim ulo, so dschi­jakana meg na dija: jek, le regi­run­gendar upro cile kon­ti­nentscha khetan ledschimi dekla­racijona le tscha­tschip­tschen­dar, save le cile manu­schenge use terdschon – tel diklo le telsch­ta­mini­pestar, la etnijatar, obste mursch vaj dschuvli vaj la reli­gijonatar. Hatek, kaj on ma­nuscha hi.

I resolucijona ando talalinipe ande Paris jek igen baro usephenipe uschti­dija – tschak poar pal like­ri­penca. „Amen adi angli granica use jek baro terdschi­jipe terdscho­jas“, afka i Eleanor Roosevelt ande lakero vakeripe. „Ada erkle­rinipe schaj i inter­nacijo­nali Magna Carta le cile manu­schendar ol.“

Gistakeri sor
Tschatschikan, i komisijona pal duj berschengeri debata, jek barika­no koja prik schaj be­schartscha. Use jek, pro­kla­mirin­tscha o papruschi o pativ le manu­schenstar ojs lek utscheder tscha­­tschi­peskero koja. Read the rest of this entry »

Facts & Figures (487)

Oktober 30th, 2023  |  Published in Facts & Figures, Recht & Gericht

Die Kris, die tra­ditionelle in­ter­ne Recht­spre­chung der Vlach-Ro­ma, ope­riert heu­te auf­grund der Di­as­po­ra­situation der Gruppen längst auch mit di­gi­ta­len Me­dien.

(Quelle)

Der Völkermord und die Bundesrepublik

September 5th, 2023  |  Published in Geschichte & Gedenken, Literatur & Bücher, Politik, Rassismus & Menschenrechte, Recht & Gericht, Wissenschaft

Sebastian Lotto-Kusche: Cover 2022Sebastian Lotto-Kusche: Der Völkermord an den Sinti und Roma und die Bun­des­repub­lik. Der lange Weg zur An­er­ken­nung 1949–1990 (=Schrif­ten­rei­he der Viertel­jahres­hefte für Zeit­ge­schichte, 125), De Gruyter Ol­den­bourg, Berlin 2022, 264 S.

Die Studie untersucht die diskursiven Kämpfe um die Anerkennung des NS-Völker­mords an Sinti und Roma in der Bundes­republik bis 1990. Dabei wird unter An­erken­nung zweier­lei ver­standen: die Ak­zeptanz der Verbände der Sinti und Roma als legitime Gesprächs­partner der Bundes­regierung sowie die Be­wertung der „NS-Zi­geuner­ver­folgung‟ als „rassisch‟ moti­viertes Verbrechen in Politik und Wissen­schaft. Auf der Grund­lage um­fassenden Quellen­materials von Bundes­behörden und politischen wie zivil­gesell­schaft­li­chen Akteuren ent­steht eine Diskurs­geschichte dieses lang­wierigen An­erkennungs­pro­zesses. Sie zeigt, dass bis tief in die 1960er Jahre hinein ein durch und durch rassisti­sches Bild der na­tio­nal­sozialis­ti­schen Politik gegen Sinti und Roma vor­herrschte. Dieser Denkstil, der von traditio­nellen Vor­urteilen über „Zigeuner­kriminalität‟ ge­prägt war, geriet in den 1970er Jahren mit der Rezeption von inter­natio­na­len For­schungs­arbeiten im­mer stärker unter Druck. Doch erst in den 1980er Jahren begann mit der An­erken­nung der Sinti und Roma als Gesprächs­partner durch Bun­des­kanzler Helmut Schmidt auch die Er­forschung des NS-Mas­sen­verbrechens.

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„Stets korrekt und human“

August 31st, 2023  |  Published in Geschichte & Gedenken, Literatur & Bücher, Rassismus & Menschenrechte, Recht & Gericht, Wissenschaft

Opfermann, Ulrich Friedrich. „Stets korrekt und human“: Der Umgang der westdeutschen Justiz mit dem NS-Völkermord an den Sinti und Roma. Antiziganismusforschung interdisziplinär – Schriftenreihe der Forschungsstelle Antiziganismus 4. Heidelberg: Heidelberg University Publishing, 2023.Ulrich Friedrich Opfermann: „Stets korrekt und human“. Der Um­gang der west­deut­schen Justiz mit dem NS-Völ­ker­mord an den Sinti und Roma (=Anti­ziga­nis­mus­for­schung inter­dis­zipli­när. Schrif­ten­reihe der For­schungs­stelle Anti­ziga­nis­mus, Bd. 4), Heidel­berg Uni­ver­sity Publi­shing (heiUP): Hei­del­berg 2023, 589 S.

→zum Download (CC BY-SA 4.0)

Das Buch gibt erstmals einen systematischen Überblick zu einem bislang ver­nach­lässigten Bereich der justiziellen Auf­arbei­tung des NS-Systems: dem Umgang mit den Ver­brechen an den Sinti und Roma in west­deutschen NSG-Ver­fahren unter Ein­bezug des Tat­raums Osteuropa. Die akribisch recher­chierte Studie stellt zahl­reiche Verfahren vor. Sie informiert über die rechtlichen Voraus­setzungen des west­deutschen justiziel­len Sonderwegs, zeichnet den Verfahrens­gang nach und fragt nach den Rollen der Be­schuldig­ten und Zeugen sowie des Justiz­per­sonals. Im Mittel­punkt steht das als Groß­ver­fahren neben dem ersten Auschwitz-Prozess geplante Sammel­ver­fahren zum „Zigeunerkomplex“ (1958–1970), das ent­gegen seinem An­spruch kaum Resonanz ent­faltete und heute weit­gehend ver­gessen ist.

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Der Porajmos in der Nachkriegsjustiz (2022)

August 24th, 2023  |  Published in Geschichte & Gedenken, Hochschulschriften, Literatur & Bücher, Recht & Gericht, Wissenschaft

Universität WienAnna Cseri (2022): Kritische Betrachtung der Darstellung des Porajmos in der österreichischen Nachkriegsjustiz am Beispiel der Volksgerichtsverfahren gegen Franz Langmüller und Friedrich Messer

Masterarbeit, Universität Wien (Historisch-Kultur­wis­sen­schaft­li­che Fakul­tät), 91 S.

→Zum Download der UB Wien (pdf)

Abstract: Nur ein Bruchteil der begangenen NS-Verbrechen an Rom:nja und Sin­ti:zze wurde in den öster­reichi­schen Volksgerichten im Zuge der Nach­kriegs­justiz be­handelt. Als Sonder­gerichte trugen sie die Ver­ant­wortung für die justizielle „Entnazifizierung“, welche in Österreich eng ver­zahnt war mit einer büro­kra­ti­schen „Säuberung”, bei der im Wesent­lichen eine Registrie­rung sog. „Ehemaliger“ sowie Sühne­leistungen zu Tragen kamen. Bis dato ließen sich ledig­lich 23 von über 136.000 Verfahren eruie­ren, die mit dem Porajmos im Zu­sammen­hang stehen. Eine Vielzahl der NS-Ver­brechen an Rom:nja und Sinti:zze blieb ungesühnt. Dieser Um­stand lässt sich in den Dis­kriminie­rungs­prozess dieser Opfer­gruppen in der un­mittel­baren Nach­kriegszeit (jedoch auch darüber hinaus) ein­ordnen. Knapp die Hälfte der Verfahren vor dem Volks­gericht betref­fend des Porajmos wurden ab­gebrochen oder ein­gestellt, die Täter:innen in einem Großteil der Fälle zu niedrigen Strafen verurteilt oder gar frei­gesprochen. In der vor­liegenden Master­arbeit wurden zwei öster­reichi­sche Volks­gerichts­verfahren analy­siert, die mit dem sog. „Zigeunerlager” Lackenbach in Zu­sammen­hang stehen. Die Haupt­quellen umfassen die Prozess­unter­lagen der beiden Verfahren, einer­seits gegen den Lager­leiter des so­ge­nannten „Zigeuner­lagers” Lacken­bach, Franz Langmüller, sowie anderer­seits gegen Friedrich Messer, der unter an­derem wegen der Denun­ziation einer Romni und der Betei­li­gung an Depor­tationen vor Gericht stand. Hierbei wurden erst­mals Prozess­akten auf die Re­produk­tion anti­ziganisti­scher Stereotype unter­sucht. Read the rest of this entry »

Menschenhandel: Leihmütterskandal auf Kreta

August 18th, 2023  |  Published in Frauenrechte, Rassismus & Menschenrechte, Recht & Gericht

Krimineller Adoptionsring in Griechenland: Ausbeutung von Roma-Frauen als einträgliches Geschäft (Foto: Eloisa/Pixabay) Menschenhandel: Auf Kreta wurde ein il­lega­ler Adop­tions­ring auf­ge­deckt – Frauen in Notlage wur­den nach Grie­chenl­and ge­lockt und als Leih­müt­ter aus­ge­beu­tet. Unter ih­nen vie­le Romnja aus Süd­ost­europa.

In Griechenland wurde vor einigen Tagen ein Leihmütter­skandal in einer Kinderwunsch­klinik auf­ge­deckt. Dies berichtet ORF.at unter Berufung auf grie­chische Medien­berichte und Zeit Online. In einer Klinik in Kreta sollen seit Jahren Frauen aus Ost­europa als Eizellen­spen­derinnen und Leih­mütter aus­ge­beutet worden seien – für Kund­schaft aus zahl­­reichen euro­­päischen Ländern, die, so ORF.at, „zumin­dest die rechtliche Grauzone auf dem Weg zum Baby­glück in Kauf“ nahm. Allein seit Dezem­ber des Vor­jahres wurden an der Kinderwunsch­klinik in der Hafen­stadt Chania 182 der­artige Fälle doku­mentiert. Bei der Razzia in der Stadt fanden die Einsatz­kräfte der Abteilung für orga­ni­sierte Kriminalität ver­gangene Woche nicht weniger als dreißig momentan schwan­gere Leihmütter vor.

„Die benötigte richterliche Erlaubnis sei in zahlreichen Fällen ge­nauso gefälscht wor­den wie Adoptions­papiere und medi­zinische Akten“, so ORF.at. Der Gründer und Leiter der Klinik und acht weitere Per­sonen wurden fest­ge­nommen. Ihnen wird vor­geworfen, „ein inter­nationales Netzwerk an Zuhältern auf­gebaut haben, um ,schutz­be­dürftige Frauen‘ aus dem Ausland nach Griechenland zu schaf­fen“. Dort seien diese dann als Leih­mütter oder Eizell­spen­derinnen herangezogen worden. ORF.at be­richtet: „Die Frauen aus Moldawien, der Ukraine, Georgien, Rumänien und Bulgarien – viele von ihnen Romnja – stam­men aus sehr armen Ver­hält­nissen und seien mit falschen Ver­sprechungen nach Kreta gelockt worden. Sie seien von der Öffent­lich­keit ab­geschirmt und in 14 Wohnungen ,unter erbärm­lichen Ver­hält­nissen‘ unter­ge­bracht und überwacht worden. Read the rest of this entry »