„Stadtmarkt Dornbirn sperrt Roma aus“
Juli 3rd, 2017 | Published in Rassismus & Menschenrechte, Recht & Gericht
Rassismusvorwürfe gegen das Kaufhaus „Stadtmarkt“ in Dornbirn: Roma sollen dort nicht bedient worden sein – mit der Begründung, dass für Roma ein Hausverbot gelte. Ein Vorarlberger Aktivist hat diese Vorwürfe gegen das Kaufhaus bzw. die dortige Filiale der Schuhkette „Deichmann“ publik gemacht. Eine weitere Zeugin berichtet nun ebenfalls von diskriminierenden Vorfällen im „Stadtmarkt“ – sowohl bei „Deichmann“ also auch bei „New Yorker“. Wir haben nachgefragt – doch das „Stadtmarkt“-Management schweigt. Nun spricht die Justiz: Diese Woche wird der Fall vor dem Landesverwaltungsgericht verhandelt.
„Stadtmarkt Dornbirn sperrt ROMA aus!“, postete der Dornbirner Aktivist Heinz Starchl, Pensionist und ehrenamtlicher Lernbetreuer, am 18. Juni auf Facebook: Zwei Romnja waren am 2. Februar 2017 in der „Deichmann“-Filiale nicht bedient worden. Die „Plattform Armutsmigration“, ein Zusammenschluss von über vierzig engagierten Bürgern in Vorarlberg, griff den Fall auf und stellte die Unternehmensleitung zur Rede. Starchl schreibt hierzu:
Die Fa. Deichmann hat innert weniger Tage reagiert, sich entschuldigt und diese „Praktik“ in ihrer Filiale in Dornbirn abgestellt. Es können nun auch Personen aus der Volksgruppe der Minderheit der Roma dort wieder einkaufen. Wir haben dies natürlich auch in den letzten Monaten überprüft, und es stimmt. DI Anton Fink hat sich nicht entschuldigt. Ein Mitglied der Plattform Armutsmigration hat nun (…) eine Anzeige (…) eingebracht.
Wir wollten es genauer wissen und landeten nach Rückfragen beim Dornbirner Rechtsanwalt Anton Schäfer (mehr hier oder hier). Er bestätigt, dass eine Anzeige erstattet wurde, der Fall liege nun beim Landesverwaltungsgericht, wo diese Woche die Verhandlung stattfindet. Bei den betroffenen Frauen (17 bzw. 35 Jahre) handle es sich um rumänische Staatsbürgerinnen, die jedoch schon seit Jahren in Vorarlberg leben. Ihre Familie sei „eine von mehreren, die wir von der Plattform Armutsmigration unterstützen und betreuen und die sich in Vorarlberg integrieren wollen und hier wohnen und arbeiten bzw. die Kinder zur Schule gehen“. Die Anzeige eingebracht hat eine Zeugin – sie ist selbst Mitglied der Plattform Armutsmigration.
Aus der Anzeige
In der Sachverhaltsdarstellung heißt es über den Vorfall wörtlich:
Am Donnerstag, den 2.2.17 um etwa 11 h informierte mich eine in Dornbirn wohnhafte Familie aus Rumänien, die ich ehrenamtlich betreue, dass sie im Stadtmarkt Dornbirn, Schulgasse, im Geschäft „Deichmann“ Schuhe kaufen wollte. Dies wurde aber von der Verkäuferin alleine deswegen verweigert, da sie „Roma“ seien und für „die Roma“ bestehe hier schon länger das Verbot, etwas kaufen zu können. Die Familie wurde aufgefordert, das Geschäft und den Stadtmarkt unverzüglich zu verlassen. Diese Familie (2 Erw., 1 Baby) kam dem nach und verließ das Geschäft und den Stadtmarkt.
Um 12 h war ich selber Zeuge dieses Vorganges, da ich ein solches Verhalten nicht verstehen konnte. Ich habe diese Familie gebeten, den Kauf nochmals zu probieren. Der Kauf wurde wiederum verweigert. In weiterer Folge kam der Leiter des Stadtmarktes, Herr Anton Fink, und erläuterte mir seine Sichtweise und dass dieses Verbot auf seiner Weisung hin beruhe. Ich machte Herrn Fink darauf aufmerksam, dass dies ein diskriminierendes Verhalten sei und dass er sich uU strafbar machen würde. Dies bewog Herrn Fink jedoch in keiner Weise, sein diskriminierendes Verhalten zu überdenken oder das Verbot sofort aufzuheben. Er verlangte, dass die rumänische Familie den Stadtmarkt sofort verlasse.
Diese Familie aus Rumänien ist traditionell gekleidet und hat ihren Wohnsitz seit Jahren in Vorarlberg. Ihnen wurde der Einkauf in der Fa. Deichmann und dem Stadtmarkt nur deswegen verweigert, weil sie Roma sind. Es ist dies ein eindeutig diskriminierendes Vorgehen. Ein solches Vorgehen ist gesetzwidrig und von der zuständigen Gewerbebehörde zu sanktionieren (Art. IX Abs. 1 Z 3 EGVG iVm § 87 GewO).
Eine zweite Zeugin
Tatsächlich dürfte es sich um keinen bloßen Einzelfall handeln: „Andere Vorfälle wurden bereits zuvor registriert“, teilt uns RA Schäfer mit. Nach der Veröffentlichung des Vorfalls meldete sich zudem eine weitere Dornbirner Zeugin, die diese rassistische Praxis im „Stadtmarkt“ bestätigt. Karin Kaufmann, Geschäftsführerin einer Selbsthilfeorganisation für Betroffene von sexualisierter Gewalt, berichtet, dass sich auch Mitarbeiter der Modekette „New Yorker“ im Dornbirner Stadtmarkt geweigert hätten, zwei jugendliche Roma zu bedienen:
Ich war mit meinen beiden Roma-Mädchen dort, die seit 1,5 Jahren ebenfalls in Dornbirn wohnen und zur Schule gehen. „Roma haben generelles Hausverbot“, wurde mir mitgeteilt, als ich mit ihnen eine Jeans zum Geburtstag kaufen wollte. Auf Anfrage, wer das denn angewiesen habe, wurde mir mitgeteilt: die Zentrale in Wien samt der hier zuständigen Filialleitung.
Gegenüber dROMa ergänzt die Zeugin, dass sich dieser Vorfall Ende März 2017 ereignet habe. Bei den Betroffenen handle es sich um zwei Schwestern, F.I. und P.I.* (13 bzw. 14 Jahre). Die beiden Mädchen hätten mit ihrer Familie zehn Monate lang bei ihr in Dornbirn gewohnt. Sie hatte die aus Ploiești in Rumänien stammenden Roma bei sich aufgenommen und dem Vater geholfen, eine Arbeitsstelle zu finden: „Ich habe die Familie im Herbst 2015 aufgenommen, weil sie mit ihrem 10-Tage alten Baby (nach Kaiserschnitt!!!) auf der Straße – im Stadtpark Dornbirn – vor meiner Haustüre gelebt haben.“
Die Zeugin berichtet darüber hinaus von einem weiteren Vorfall in der „Deichmann“-Filiale: „In den Deichmann – im Stadtmarkt Dornbirn – durfte übrigens auch die Mutter nicht. Da ging der Vater mit den Mädchen Schuhe kaufen, die Mutter musste mit dem Baby wie ein Hund vor der Türe warten.“
Frau Kaufmann schildert dROMa zudem eine Reihe weiterer gewalttätiger Übergriffe, die sie, als Begleiterin der Familie, selbst mitangesehen habe:
Zusätzlich – zu den Vorfällen in den Geschäften – gab es übrigens noch jede Menge anderer Übergriffe. Das reicht von Verleumdung, dass Passanten wegen Bettelns mit Baby die Polizei alarmierten, obwohl wir einfach nur auf der Straße gelaufen sind, bis hin zu körperlichen Übergriffen – Bespucken oder dem Schlagen des Babys auf den Kopf, um zu überprüfen, ob es sich um ein echtes Kind oder eine Puppe (zum Betteln) handelt …
Sie habe unsere Gesellschaft „auf eine Art und Weise erlebt“, wie sie es sich in ihren „schlimmsten Albträumen nicht vorstellen hätte können“. „Wie diese Menschen das aushalten, ist mir ein Rätsel“, sagt sie: „Und dabei haben sie mir noch erklärt, dass die Übergriffe hier in Vorarlberg auf sie noch harmlos sind, im Gegensatz zu dem, was sie in ihrem Herkunftsland erleben.“
Schweigen, Dementi – und eine Entschuldigung
Wir haben den drei Unternehmen Gelegenheit zu einer Stellungnahme gegeben. Das Einkaufszentrum „Stadtmarkt“ wollte sich – trotz großzügiger Frist – nicht zu den Vorwürfen äußern; auch unsere Anfrage blieb unbeantwortet. Das Unternehmen „New Yorker“ bestreitet die Vorwürfe: „Ein Hausverbot aufgrund des ethnischen Hintergrundes hat es zu keinem Zeitpunkt in einer New-Yorker-Filiale gegeben.”
Ganz anders hingegen die Firma Deichmann: Sie bestätigt in ihrem Schreiben an dROMa, dass die Filialleiterin Angehörige der Volksgruppe der Roma des Geschäfts verwiesen habe. Deichmann spricht von einem einmaligen Fehlverhalten, für das die Mitarbeiterin bereits verwarnt worden sei. Über den zweiten Vorfall in der Filiale sei der Firma bislang nichts bekannt. Deichmann bedauert, dass durch das Fehlverhalten
der Eindruck entstanden ist, dass in unserem Geschäft Menschen der Volksgruppe der Roma diskriminiert werden. (…) Wir haben uns bei der Familie ausdrücklich dafür entschuldigt. (Die Mitarbeiterin) hat sich im Moment des Vorfalls unglücklicherweise auf das von der Centerleitung pauschal ausgesprochene „Hausverbot“ für Angehörige der Roma bezogen, obwohl eine solche Vorgehensweise weder dem Gedankengut der Mitarbeiterin und schon gar nicht der Unternehmensphilosophie entspricht. Wir können Ihnen versichern, dass solche Tendenzen von uns entschieden abgelehnt bzw. nicht geduldet werden.
„Deichmann“ verweist zudem auf das soziale Engagement des Unternehmens, das seit drei Jahren Familien in einer Roma-Siedlung in Athen unterstütze. 2016 sei dort ein neues Unterrichtszentrum eröffnet worden, das Roma-Schülern zugute komme.
Die Firma „Deichmann“ habe aus seiner Sicht jedenfalls „vorbildhaft und rasch reagiert“, hält auch RA Schäfer gegenüber dROMa fest: „Testkäufe haben ergeben, dass tatsächlich für Personen aus der Minderheit der Volksgruppe der Roma keine Behinderung mehr besteht.“
*) Die Namen sind der Redaktion bekannt.
(Text: Roman Urbaner/dROMa)
Zu Vorarlberg:
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