Medienschau: „Aggressive Volksgruppen“?
März 17th, 2024 | Published in Medien & Presse, Rassismus & Menschenrechte
Am 7. März 2024 erschien auf Krone.at ein Artikel von Mario Ruhmanseder, der im Oberösterreich-Ressort für die Stadt Linz zuständig ist. „Roma-Durchreiseplatz: Aggressive Volksgruppen mutieren zu Dauercampern“ liest man da in fetten Lettern, bebildert mit einer Drohnenaufnahme von einigen Wohnwägen auf einem Halteplatz. Aggressive Volksgruppen? Wir finden: ein Fall für den Österreichischen Presserat.
Der Artikel betrifft Fahrende, mutmaßlich Sinti bzw. Roma, auf dem Durchgangsplatz in Pichling (Linz). Es wird hier unter Aufbietung zahlreicher bekannter antiziganistischer Stereotype (siehe unten) Stimmung gegen eine dort anwesende Personengruppe – und die Volksgruppe der Roma und Sinti insgesamt – gemacht.
Insbesondere wird – prominent in der Überschrift (wie sie ja zum Beispiel auch in den Voransichten auf Social Media aufscheint) – diese vulnerable ethnische Minderheit als Ganzes durch die Wortwahl als „aggressive Volksgruppen“ gebrandmarkt: Das Wort „Volksgruppe“ verweist in ihrem allgemein üblichen (und auch rechtlich definierten) Bedeutungsgehalt schließlich nicht auf eine konkrete Gruppierung von Individuen, sondern auf die Ethnie an sich. So ist der Begriff „Volksgruppe“ im Sinne von „ethnischer/nationaler Minderheit“ beispielsweise auch dem österreichischen „Volksgruppengesetz“ zugrundegelegt. Die Begrifflichkeit ist definiert. Eine physische Ansammlung von Personen, die ihrerseits einer Volksgruppe angehören, benennt sie nicht.
Hinzu kommt, dass ja auch bereits im Titel selbst anhand des Schlagwortes „Roma-Durchreiseplatz“ klar gemacht wird, welche ethnische Minderheit gemeint ist. Die Unterscheidung zwischen spezifischer Personengruppe (den anwesenden Familien) und gesamter Volksgruppe (Roma und Sinti) wird in der Überschrift semantisch aufgelöst; die Wörter „Roma“, „aggressiv“ und „Volksgruppen“ hingegen werden im Titel miteinander verknüpft. Somit wird die gesamte Ethnie öffentlich stigmatisiert und als vermeintliche Bedrohung und Last für die Allgemeinheit diffamiert.