Antiziganismus in Berlin: Jahresbericht 2016
Mai 30th, 2017 | Published in Dokumente & Berichte, Medien & Presse, Rassismus & Menschenrechte
Berlin, 30.5.2017 – Amaro Foro stellt neuen Antiziganismus-Bericht vor: „Ausgrenzung und Diskriminierung von Roma nehmen zu“
Amaro Foto e.V. (Hg.): Dokumentation von antiziganistischen und diskriminierenden Vorfällen in Berlin 2016, Berlin, Mai 2017, 48 S.
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Das Dokumentationsprojekt von Amaro Foro hat 2016 568 antiziganistische und diskriminierende Vorfälle in Berlin erfasst. Darunter sind 146 gemeldete Vorfälle und 63 diskriminierende Medienberichte, 350 Äußerungen in Kommentarspalten und neun Social-Media-Beispiele. Bei den gemeldeten Vorfällen ergibt sich im Vergleich zum Vorjahr (118) ein Anstieg von etwa 20 Prozent.
„Roma oder Menschen, die dafür gehalten werden, erleben in Berlin eine fast umfassende und vor allem zunehmende Diskriminierung. Dies betrifft besonders den Kontakt zu Leistungsbehörden wie Jobcenter oder Familienkasse – in diesem Bereich haben wir strukturelle Diskriminierung ebenso wie individuelles Verhalten von Behördenvertreter*innen erfasst“, erklärt Projektkoordinatorin Diana Botescu. „Außerdem kommt es vor allem im Bereich Alltag und öffentlicher Raum immer wieder zu Beleidigungen bis hin zu massiven Drohungen und Angriffen.“
Für 2016 wurden außerdem zum ersten Mal die Lebensrealitäten von Roma-Asylbewerber*innen gezielt erfasst und ausgewertet. „Die Asylrechtsverschärfungen von 2014 und 2015 wirken sich auf die Situation von Roma-Asylbewerber*innen aus den Westbalkanstaaten verheerend aus. Ihre Asylanträge werden im Schnellverfahren bearbeitet, immer häufiger werden sie in separaten Unterkünften untergebracht und die Abschiebepraxis wird verschärft. Dies betrifft auch Menschen, die seit über zehn Jahren hier sind oder hier geboren sind. Besonders bei jungen Menschen mit Duldungsstatus wirkt sich diese Situation außerdem dramatisch auf ihre weitere Biografie und ihre Bildungschancen aus“, betont Mitarbeiterin Violeta Balog.
Das Medienmonitoring wurde in diesem Jahr ausgeweitet; die Berichterstattung der Berliner Zeitungen wurde nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ erfasst und ausgewertet. Außerdem wurde Antiziganismus im Internet dokumentiert. „Im Bereich der Kriminalitätsberichterstattung beobachten wir, dass ein Roma-Hintergrund der Tatverdächtigen inzwischen offenbar von allen Medien grundsätzlich genannt wird. Die inhaltliche Relevanz wird dabei basierend auf Zuschreibungen konstruiert.
Wir haben außerdem eine hohe Anzahl von Berichten über Wohnungslosigkeit; in diesen Fällen wird ein Roma-Hintergrund, ob vorhanden oder nicht, von außen zugeschrieben. Die untersuchten Medienberichte legen nahe, dass diese Zuschreibung vor allem aufgrund der Wohnungslosigkeit erfolgt. Immer wieder verletzen Journalist*innen dabei außerdem die Grundrechte wohnungsloser Menschen“, erläutert Mitarbeiterin Andrea Wierich. „Die Reaktionen der Leser*innen lassen sich in den Kommentarspalten verfolgen. Es ist erschreckend, mit welcher Vehemenz dort eine radikale Leistungsideologie, rassistische Essenzialisierungen und eine Täter-Opfer-Umkehr in Bezug auf Migrant*innen vertreten werden.“
Amaro Foro e.V. ist ein interkultureller Jugendverband von Roma und Nicht-Roma mit dem Ziel, jungen Menschen durch Empowerment, Mobilisierung, Selbstorganisation und Partizipation Raum zu schaffen, um aktive Bürger*innen zu werden. Als junge Roma und Nicht-Roma übernehmen wir gemeinsam Verantwortung in der Gesellschaft für Achtung und gegenseitigen Respekt. Das Dokumentationsprojekt wird von Amaro Foro seit 2014 umgesetzt und ist bundesweit das einzige Projekt dieser Art. Wir dokumentieren antiziganistische Vorfälle in Berlin in allen Lebensbereichen und veröffentlichen unsere Auswertung jedes Jahr. Mit gezielter Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit machen wir auf Antiziganismus aufmerksam und sensibilisieren politische und soziale Akteure ebenso wie die Medien. Das Projekt wird von der Landesantidiskriminierungsstelle gefördert.
(Text: Amaro Foro, 30.5.2017/PDF)
Siehe auch:
ZARA veröffentlicht Rassismus-Report, 21.3.2017
Antiziganismus in Österreich – Falldokumentation 2013–2015: 2. Antiziganismus-Bericht des Romano Centro, Wien (Nov. 2015)
„Antiziganistische Angriffe geschehen überall“ – Amaro Foro stellte Berliner Antiziganismus-Bericht 2015 vor
Studie: Hate Crimes in der Steiermark, 10.4.2017