Rührige Schweden
Dezember 28th, 2021 | Published in Einrichtungen, Jugend & Bildung, Literatur & Bücher, Romani, dROMa (Magazin)
Roma-Bibliotheken in Malmö und Bukarest
In Malmö entsteht eine neue Roma-Bibliothek. In der Stadt werden dann gleich zwei Roma-Büchereien nebeneinander bestehen. Und auch eine Roma-Kinderbibliothek, die seit fünf Jahren in Bukarest existiert, nahm ihren Anfang in Schweden.
Schweden bekommt eine öffentliche Roma-Bibliothek. Die neue Einrichtung entsteht als integraler Bestandteil der Stadtbibliothek von Malmö, der drittgrößten Stadt des Landes. Schon im kommenden Herbst soll die Bibliothek eröffnet werden. „Das ist ein enger Zeitplan“, sagt Stadtbibliothekar Torbjörn Nilsson, „denn es wird schwierig sein, Roma-Literatur zu finden. Um dies zu erreichen, müssen wir weit über die Landesgrenzen hinausgehen und mit anderen Bibliotheken und der Roma-Bevölkerung an vielen Orten zusammenarbeiten.“
Die Bücherei wird Publikationen in verschiedenen Roma-Dialekten, von Roma verfasste Literatur und Bücher über Roma-Kultur enthalten. Die Literatur wird in Absprache mit Vertretern der Roma-Gemeinschaft zusammengestellt. Dabei arbeiten die Organisatoren insbesondere mit dem örtlichen Roma-Büro (Romskt informations- och kunskapscenter, RIKC) zusammen, das – wie die Stadtbibliothek – der städtischen Kulturverwaltung angegliedert ist.
Verwurzelt und vernetzt
Besonderen Wert lege man auf fachkundige Mitarbeiter: „Es ist wichtig, die Sprache und die verschiedenen Dialekte zu kennen. Das Personal muss auch aus Personen bestehen, die die Roma-Kultur kennen oder in ihr verwurzelt sind. Sie müssen mit der Roma-Bevölkerung vernetzt sein“, erklärt Torbjörn Nilsson.
„Ich bin stolz darauf, dass wir die Eröffnung der ersten Roma-Bibliothek des Landes planen“, sagt Malmös Kulturstadträtin Frida Trollmyr. „Das ist eine einzigartige Gelegenheit, die Rechte der Roma zu fördern und zu einem besseren Wissen über Kultur und Geschichte der Roma beizutragen.“
Dass es sich um „Schwedens erste Roma-Bibliothek“ handle, stimmt allerdings nur bedingt. In mehreren Städten existieren bereits spezielle Bibliotheksabteilungen für Roma-Literatur. Und in Malmö selbst unterhält ein Roma-Verband, das Romska Kulturcentret (RKC), eine eigene, etwas veraltete Bestandsbibliothek. Diese verfügt laut eigenen Angaben über die „größte Sammlung von Roma-Literatur, -Musik, -Filmen und -Magazinen in den nordischen Ländern“. Die Bibliothek des Kulturcentret ist öffentlich zugänglich und wird seit 2006 großzügig von der Kulturbehörde subventioniert. Als Konkurrenz will man diese bestehende Sammlung aber nicht verstehen, so Johan Björkwall von der Stadtbibliothek gegenüber dROMa: Auch das Romska Kulturcentret soll bei der neuen Roma-Bibliothek miteinbezogen werden – „so wie alle Roma-Organisationen, die sich beteiligen möchten“.
Ein Ort für Kinder
Ebenfalls auf eine schwedische Initiative geht die Schaffung einer Roma-Bibliothek für Kinder in Rumänien zurück. Untergebracht ist die im April 2016 eröffnete Biblioteca romilor pentru copii fürs Erste in den Räumlichkeiten des Roma-Museums im Bukarester Stadtteil Giulești.
Hinter dem Büchereiprojekt steht die bekannte schwedische Schriftstellerin und Bürgerrechtlerin Gunilla Lundgren, die unter anderem eine Hörspielreihe mit Pippi Langstrumpf als Roma-Mädchen veröffentlicht hat (wir berichteten). Ihr zur Seite stehen der schwedische Roma-Aktivist und Kinderbuchautor Fred Taikon und die Verlegerin Arina Stoenescu. Die Bücherei ist Teil der schwedisch-rumänischen Kooperation Harap Alb. Das Geld für die Aktivitäten und die Buchankäufe stammt aus Spenden und dem Verkaufserlös von Büchern in Schweden, die Lundgren gemeinsam mit Roma-Kindern schreibt.
Die auf diese Weise in Bukarest geschaffene Einrichtung steht allen Kindern und ihren Begleitpersonen offen. Dabei hat man sich besonders auf Leseaktivitäten konzentriert: „Wir lesen den Kindern einfach etwas vor oder lesen mit ihnen gemeinsam. Und wir lesen da auch Geschichten, die mit der Geschichte der Roma in Beziehung stehen“, sagt Luminița Ancuța, die die Kinderbibliothek leitet. „Wir wollen ihre Lust am Lesen wecken, denn nur durch Lesen können sie entdecken, wer sie sind.“ Derzeit allerdings muss die Bibliothek aufgrund der Pandemie pausieren, wie Arina Stoenescu auf dROMa-Anfrage erläutert. Und es gibt Pläne, die Kinderbuchsammlung demnächst aus dem Roma-Museum in die Nationalbibliothek zu verlegen.
Von Roman Urbaner
Aus: dROMa 64, Winter/Dschend 2021
(→Themenheft/temakeri heftlina Bücher 2 / Kenvi 2)