Medien & Presse

„Diese Bebilderung macht fassungslos“

November 14th, 2022  |  Published in Medien & Presse, Rassismus & Menschenrechte

Seite mit Illustration in der FAZ (Foto: Landesvertretung BaWü/Sinti Powerclub e.V.)Zentralrat Deutscher Sinti und Roma kriti­siert Para­de­bei­spiel der anti­ziga­nis­ti­schen Medien­be­richt­er­stat­tung in der Frank­furter All­g­emei­nen Zeitung

Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, wandte sich in einem Schrei­ben an die Heraus­geber der Frank­furter All­ge­mei­nen Zeitung und forderte eine an­gemes­sene öffent­liche Klar­stel­lung und Ent­schul­digung für das fol­gende Parade­beispiel der anti­zi­ga­nis­ti­schen Medien­bericht­erstat­tung:

Am 1.11.2022 war in der FAZ-Internet-Ausgabe, sowie am 2.11.2022 in der FAZ-Print-Au­sgabe der Artikel „Umwelt­kriminalität wirk­samer be­kämpfen“ der Autorin Atja Gelinsky er­schienen. Zur Illustra­tion des Berichts wurde ein un­datier­tes Foto (Wolfgang Eilmes) ver­wendet, das einen Müll­berg in der Gutleut­straße in Frankfurt zeigt. Durch die Bild­unter­schrift wird der Fokus dieser ge­samten Bericht­erstattung auf die Minder­heit der Roma gelenkt. Das Foto steht je­doch in keiner­lei Bezug zum daneben­stehen­den Text. In dem Artikel selbst geht es um „Aus­beutung, Ver­schmut­zung und Zer­störung der Natur“, die inter­national Schäden in Milliar­den­höhe ver­ursachen.

Der Zentralratsvorsitzende Romani Rose äußert sich in seinem Schreiben an die Heraus­geber dazu: „Diese Bebil­derung macht fassungs­los. Hier wird ein weltweites Verbrechen be­nannt und durch die Bild­auswahl ver­mittelt, dass die Minder­heit der Roma durch Straßenmüll an diesen Umwelt­verbrechen be­teiligt ist. Durch diese Bild­zu­schreibung wird Aggres­sion gegen eine Minderheit ge­schürt, diese wird mit Krimina­lität gleich­gesetzt und der Gesell­schaft wird ein leicht aus­zu­machender Sündenbock an­geboten. Der tief­verwurzelte Anti­ziganismus wird weiter tradiert und erhält durch die Frank­furter All­gemeine neuen Auftrieb.“

Romani Rose fordert nicht nur eine sofortige Entfernung des Fotos aus der FAZ Internet-Aus­gabe, son­dern eine angemes­sene öffent­liche Klar­stellung, eine Ent­schuldigung und ein grund­sätzliches Gespräch, weil es der­artigen Anti­ziganismus in der medialen Bericht­erstattung zu­künftig zu vermeiden gilt.

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Facts & Figures (443)

September 13th, 2022  |  Published in Facts & Figures, Medien & Presse

Seit 1995 existiert in Ungarn mit dem „Roma Press Center“ eine eige­ne Ro­ma-Nach­rich­ten­agen­tur.

(Quelle)

Facts & Figures (437)

August 11th, 2022  |  Published in Facts & Figures, Medien & Presse, Radio, Podcast & TV

Die erste Ausgabe von Radio Romano, der Romani-Sen­dung des schwedi­schen Rund­funks, wur­de am 11.1.2002 aus­ge­strahlt.

(Quelle)

ORF-Publikumsrat: Wer vertritt wen?

Mai 20th, 2022  |  Published in Einrichtungen, Medien & Presse, Politik

ORF-Zentrum Küniglberg (Foto: Thomas Ledl/Wikimedia CC)Angriff auf die Vielfalt – Ge­mein­same Stel­lung­nahme der öster­rei­chi­schen Volks­­gruppen zur Be­setzung des ORF-Pub­li­kums­rats: Vorgehen von Medien­mi­nis­te­rin Raab „be­fremd­lich und un­ver­ständlich“. Volks­gruppen prüfen juris­ti­sche An­fechtung.

Es liegt an den für die Besetzung verantwortli­chen Per­sonen, schnellst­möglich die Be­denken aus vielen Be­reichen der Gesell­schaft zu be­seitigen und für einen gesetzes­konformen Zustand zu sorgen. Ent­spre­chend den Ent­sendun­gen der letz­ten Jahre und dem bis dato ge­leb­ten Rotations­prinzips wäre aus unse­rer Sicht ein Ver­treter der Roma in den Publikums­rat zu ent­senden ge­wesen.

Karl Hanzl, langjähriges Pub­li­kums­rats­mit­glied und Vor­sitzen­der des tsche­chi­schen Beirates

Stellungnahme der „Ständigen Konferenz der Vorsitzenden der Bei­räte der autoch­tho­nen Volks­grup­pen Öster­reichs“, 20.5.2022:

Die Anfang Mai erfolgte Besetzung des ORF-Publikumsrates hat in den von der „Ständigen Konferenz der Vor­sitzenden der Beiräte der autoch­thonen Volks­gruppen Österreichs“ (in Folge kurz: Vor­sitzen­den-Kon­ferenz) ver­tretenen Vereinen und Gruppen für Erstaunen und Entsetzen gesorgt. Ab­gesehen vom kom­mentar­losen Abgehen von der über Jahre und Jahr­zehnte gelebten und an­erkannten Praxis des Vorschlags- und Be­setzungs­vorganges durch das zu­ständige Ministerium und Medien­ministerin Susanne Raab, sieht die Vorsitzen­den-Kon­ferenz ihre eigene Ein­schätzung der Unrecht­mäßigkeit der Besetzung auf Basis der geltenden Gesetzes­lage durch die zahl­reichen Medien­berichte und Kom­mentare von Medien­wissen­schaft­ler:innen voll inhalt­lich bestätigt.

Die Vorsitzenden-Konferenz sieht sich aufgrund der rechtlichen und gesetzlich ver­ankerten Stellung der von ihnen vertrete­nen Volks­gruppen jeden­falls als „repräsen­tative Gruppe bzw. Organi­sation“ im Sinne der für die Besetzung des ORF-Pub­likums­rates rele­vanten Paragrafen des ORF-Gesetzes (§ 28 Abs. 4 ORF-G u.a.) und hat auch in den letzten Jahrzehnten die vor­gese­henen Vorschläge an die jeweils zu­ständigen ministe­riellen Stellen über­mittelt. Auch für die neue Wirkungs­periode des Publikums­rates hat die interne Abstimmung inner­halb der Or­ganisation bereits statt­gefunden. Read the rest of this entry »

Vorarlberg: Die Roma-Entführer, die es nie gab

Mai 17th, 2022  |  Published in Medien & Presse, Rassismus & Menschenrechte

KastenwagenDas uralte rassistische Mär­chen von „kin­der­steh­len­den Zigeunern“ spukt noch im­mer durch viele rassis­ti­sche Ge­hirne – und so­gar noch durch so man­ches Medium. Jüngs­tes haar­sträu­ben­des Bei­spiel aus Öster­reich: das Vor­arl­ber­ger On­line-Me­dium VOL.AT (Vor­arl­berg on­line).

Mutter schockiert: Fremde versuchte Bub weg­zu­ziehen“, heißt es da in fetten Let­tern in der Über­schrift zu einer heute ver­öffent­lich­ten Mel­dung. Und (man be­achte den Indikativ): „In Hohenems pack­te eine un­bekannte Frau ein Kind an der Hand. Der Bub war mit seinem Opa in einem Lebens­mittel­ge­schäft un­ter­wegs.“

Indikativ trotz besserem Wissen: Artikelintro zu einer Entführung, die es nie gab (Screenshot der Website VOl.at) VOL.at präsentiert den ver­eitelten Ent­führungs­versuch in Titel und Vor­spann also laut­stark als Fakt – und er­wähnt erst viel weiter un­ten im Text, was die Polizei fest­stellte: dass die an­geb­liche „ver­suchte Kindes­entführung“, um die der Artikel so viel Auf­hebens macht, in Wirk­lich­keit nie statt­gefunden hat. Die War­nung des Po­­lizei­sprechers, Ge­rüchte im Internet nicht leicht­fertig zu ver­breiten, hat die Re­dakteu­rin über­haupt am un­ters­ten Ende des Artikel ver­steckt – dort, wo wohl nur die we­nigsten sich flott durchs On­line-An­gebot klicken­den User je­mals hin­­ge­­langen.

Die Journalistin hat sich nicht einmal die Mühe ge­macht, even­tu­elle Zeugen des Vorfalls zu suchen und zu kon­tak­tieren. Nicht einmal mit dem an­gebli­chen Haupt­zeugen (den Groß­vater, der mit dem Kind unter­wegs war) hat sie offenbar ge­sprochen. Statt den Großvater zitiert das Medium aus­schließ­lich, und dafür umso aus­führ­licher, blo­ßes Hörensagen aus zwei­ter Hand: nämlich die Mutter, ob­wohl diese gar nicht dabei war. Wenn man ein Lehrbuchbeispiel dafür sucht, wie jour­nalisti­sche Bericht­erstat­tung nicht geht – hier ist es.

Und das Beste: Spätestens bei der Erwähnung des „weißen Kasten­wagens“, in den böse Roma kleine Kinder zerren würden, hätte es bei nur fünf Minu­ten Re­cherche klingeln müssen:

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»Es heißt, sie würden sich nur bereichern wollen«

April 6th, 2022  |  Published in Interview, Medien & Presse, Rassismus & Menschenrechte

Ukrainische Roma am Mannheimer Bahnhof (Foto: Bahnhofshelfer Mannheim/Facebook)Aus der Ukraine flüchtenden Roma und Sinti wird vieler­orts mit anti­ziga­nis­ti­schen Res­sen­timents be­ge­gnet. Auch in Deutsch­land. Die Tages­zeitung junge Welt hat mit un­se­rer Kol­le­gin (und dROMa-Autorin) vom Lan­des­ver­band Baden-Württem­berg Chana Dischereit ge­sprochen.

Chana Dischereit ist Wissenschaftliche Re­fe­ren­tin für Poli­tik und Re­fe­ren­tin für Pres­se- und Öf­fent­lich­keits­arbeit beim Ver­band Deut­scher Sinti und Roma, Landes­ver­band Ba­den-Württem­berg. Inter­view: jW/Fa­bi­an Lin­der.

Neben anderen sind auch viele Menschen mit Roma­ni-Hin­ter­grund auf der Flucht aus der Ukraine. Bei deren An­kunft in Deutschland er­lebten diese Un­gleich­behand­lung, kriti­sieren Sie und ver­weisen auf einen Fall aus Mannheim (wir berichteten). Was ist dort passiert?
Am 23. März sind flüchtende Menschen mit Roma­­ni-Hin­ter­grund am Mann­heimer Bahnhof an­ge­kommen. Ehren­amtli­che Helfer empfingen und be­gleite­ten die in der Nacht An­gereisten zu Räum­lich­keiten der Deutschen Bahn, die für Ge­flüchtete bereit­stehen. Beschäf­tigte der DB-Si­cher­heit äußer­ten dort, »solche Men­schen« kämen hier nicht rein. Ver­wiesen wurde auf Dieb­stähle und Ver­schmutzun­gen. Durch diese »Klientel« sei schon mehr­fach die »Hütte« leer­geräumt worden. So gaben Zeugen die Aus­sagen der Sicher­heits­leute wieder. Dann kam die Bundes­polizei dazu. Es waren immer mehr Sicher­heits­leute an­wesend, darunter auch eine Beamtin, die einen Dober­mann-Hund privat mit­führte. Das Ganze ent­sprach einer für die Schutz­suchen­den ver­stören­den Droh­kulisse. Beim Ge­spräch mit der Bahn einen Tag später wur­den diese Fehler ein­ge­standen.

Das alles war äußerst traumatisierend, auch für die Helfer. Infolge dieser chaoti­schen Situa­tion kam es nicht einmal zur Erst­hilfe mit Lebens­mitteln. Ande­re ukrainische Geflüch­tete wiederum hatten zeit­gleich keine Proble­me dabei, in die Unter­kunft zu kommen.

Wie erklären Sie sich dieses Vorgehen?
Wir sehen vor allem in Stresssituationen an Bahnhöfen, Län­der­grenzen oder in den Not­unter­künf­ten, dass Men­schen auf anti­ziga­nisti­sche Stereo­type zurück­greifen. Read the rest of this entry »

Deutschland: „Newess 2021“ erschienen

Februar 3rd, 2022  |  Published in Einrichtungen, Medien & Presse

Newess 2021Das vom Dokumentations- und Kulturzentrum ge­mein­sam mit dem Zentral­rat heraus­ge­ge­be­ne Ma­gazin „Newess“ er­scheint im jähr­lichen Rhyth­mus. Der Newess 2021 (was auf Romanes „Neuig­keiten“ be­deutet) infor­miert in der Form eines Jahres­rück­blicks über die Arbeits­schwer­punkte bei­der Insti­tu­tio­nen.

Der Schwerpunkt des Newess 2021 liegt auf dem Thema „Polizei und Anti­ziganismus“ . Wir haben den tra­gischen Tod von Stanislav Tomáš im tsche­chi­schen Teplice im Som­mer 2021 zum Anlass ge­nommen, um in unserem Themen­schwer­punkt einen genau­er­en Blick auf Gewalt durch die Polizei zu wer­fen, der An­ge­hörige der Minder­heit immer wieder aus­ge­setzt sind.

→Download des Newess 2021 (PDF)

(Text: Dokumentationszentrum)

Rassismus in Social Media und Kinderfilmen

Januar 5th, 2022  |  Published in Internet & Blogothek, Interview, Medien & Presse, Radio, Podcast & TV, Rassismus & Menschenrechte

Die Vorsitzende des neuen Verbands: Esther Reinhardt-Bendel (Foto: Verband Deutscher Sinti und Roma e. V. - Landesverband Schleswig-Holstein)Radio Dreyeckland, Freiburg, 7.12.2021
9:21 min, 21 MB | →Anhören (mp3)

Esther Reinhardt-Bendel über stereo­type und anti­ziga­nis­ti­sche Dar­stel­lun­gen in den Medien

Esther Reinhardt-Bendel ist politische Medienaktivistin und Mit­begrün­derin der Initia­tive Sinti-Roma Pride. Sie setzt sich für gleich­berech­tigte Teil­habe von Sinti und Roma ein und ist Vor­sitzen­de der Bundes­verei­ni­gung deutscher Sinti und Roma, die sich 2021 als Zu­sam­men­schluss und Dach­ver­band ver­schie­dener Vereine ge­grün­det hat.

(Sendung: RDL auf freie-radios.net)

Siehe auch:
Bundesvereinigung in Deutschland gegründet
, 5.8.2021

Facts & Figures (393)

September 24th, 2021  |  Published in Facts & Figures, Medien & Presse, Romani

Als erstes eigenständiges Roma-Me­di­um gilt das 1910 in Edir­ne (heu­te: Türkei) in arab. Schrift heraus­ge­ge­be­ne Wo­chen­blatt Laço (Tür­kisch/Ro­ma­ni).

(Quelle)

Medien: Wie Antiziganismus vermeiden?

August 24th, 2021  |  Published in Medien & Presse, Rassismus & Menschenrechte

Berichterstattung in den Medien: Wie Antiziganismus vermeiden? (Foto: Pezibear/Pixabay)Immer wieder kommt es vor, dass Berichte über Roma anti­zi­ga­nis­ti­sche Vor­urteile be­dien­en. Wie lässt sich das ver­mei­den? Der Me­dien­dienst In­tegra­tion in Deutschland hat dazu Fach­leu­te be­fragt.

Anfang des Jahres sorgte die WDR-Sendung „Die letzte Instanz“ für einen Auf­schrei: Darin regten sich meh­rere Pro­minente darüber auf, dass man das „Z-Wort“ nicht mehr sagen dürfe. Betrof­fene waren nicht ein­geladen. Die Sendung ist nicht der ein­zige anti­ziganis­tische Vorfall in den Medien. Vor Kurzem stellte ein Bericht der Un­abhän­gi­gen Kommission Anti­ziganismus (UKA) fest, dass Medien immer wieder uralte anti­ziganis­tische Stereotype re­produz­ieren. [Quelle]

Der MEDIENDIENST hat mit Fachleuten darüber gespro­chen, wo­rauf Jour­nalist*in­nen achten können, wenn sie Anti­ziganis­mus ver­meiden wollen.

1. Nennung der Gruppenzugehörigkeit hinterfragen

Andrea Wierich von der Rom*nja-Selbstorganisation Amaro Foro e.V. leitet ein Modell­projekt, das Medien­schaf­fende zu Anti­ziganismus sensibili­sieren will. Sie beobach­tet, dass bei Berichten über Rom*nja die Gruppen­zu­gehörig­keit oft genannt wird. In einem Artikel über den Görlitzer Park in Berlin hieß es bei­spiels­weise, dort wür­den „Obdachlose und Rom*nja campieren“. Wierich sagt: „Diese Er­wähnung macht nur vor dem Hinter­grund des Klischees Sinn, dass Rom*nja ein Wander­volk seien. Die Idee ist weiter­hin in den Köpfen vieler Men­schen ver­ankert. Dabei haben über 90 Prozent der Rom*nja in Europa einen festen Wohnsitz.“ Um das Klischee nicht weiter zu reprodu­zieren, rät Wierich dazu, sich zu fragen: Macht der Satz auch Sinn, wenn man das Wort „Rom*nja“ mit einer ande­ren Gruppe er­setzt, beispielsweise „Hand­werker*in­nen“ oder „Englän­der*in­nen“? Gene­rell sollte man mit der Nennung der Gruppen­zu­gehörig­keit zu­rück­halten­der umgehen.

Hinzu kommt laut Wierich, dass „Rom*nja“ und „Sinti*zze“ Selbstbezeichnungen sind: „Eigentlich müssten Jour­nalist*in­nen Betrof­fene fragen, ob sie sich über­haupt als Rom*nja identifi­zieren. Read the rest of this entry »