Die Schande von Kemeten

März 31st, 2010  |  Published in Geschichte & Gedenken, Politik, Rassismus & Menschenrechte  |  2 Comments

Pressekonferenz in Kemeten 2006 (v. li. n. re.: Johann Nussgraber, Rudolf Sarközi, Emmerich Gärtner-Horvath) (Foto: kv-roma.at)Roma-Holocaust-Gedenktafel: „Nicht vor der Wahl“


Die Anbringung von Gedenktafeln und die Schaffung von Erinnerungsstätten, wo die überlebenden und nachgeborenen Burgenland-Roma ihrer in der NS-Zeit ermordeten Angehörigen gedenken können, gehört seit Jahren zu den Hauptanliegen des Vereins Roma-Service. Eine Reihe derartiger Tafeln konnte durch lange Bewusstseinsarbeit, Dialog und Beharrlichkeit bereits durchgesetzt werden.

Nicht überall aber findet der Wunsch der Roma nach einem Platz für ihre Kerzen auch das Verständnis der Gemeindevertreter wie in Kleinpetersdorf, Neudörfl, Mattersburg und Kleinbachselten: Über eine Gedenktafel für die von den Nationalsozialisten deportierten und ermordeten Roma wird in Kemeten im südburgenländischen Bezirk Oberwart seit Jahren diskutiert. Auch nach einem Gemeinderatsbeschluss 2006 ist sie bis heute nicht angebracht. Die Sache sei heikel, so der Ortschef, vor der Landtagswahl gehe nichts. Rudolf Sarközi, Obmann des Kulturvereins österreichischer Roma, nimmt sich kein Blatt vor den Mund. Das, was in Kemeten passiert, sei eine Beleidigung der rund 200 Roma, die während der NS-Zeit aus Kemeten vertrieben und ermordet wurden. Von SPÖ-Bürgermeister Johann Nussgraber sei er menschlich zutiefst enttäuscht, so Sarközi.

Zur Vorgeschichte: Nach jahrelangen Dislussionen präsentierten Nussgraber, Sarközi und Gärtner-Horvath vor genau vier Jahren eine Kompromisslösung. Vor dem Gemeindeamt in Kemeten sollte eine Stahlskulptur aufgestellt werden. Auf dieser Skulptur sind 15 Tafeln angebracht, die an markante Ereignisse in der Kemeter Geschichte erinnern. Eine dieser Tafeln ist den Roma gewidmet. Der Gemeinderat segnete diese Lösung ab, das Problem schien gelöst. Ein Fundament wurde betoniert, die Skulptur sollte im Herbst 2006 aufgestellt werden. Sie ist längst fertig, aber aufgestellt ist sie bis heute nicht. Sie lagert im Bauhof der Gemeinde. Auf die Frage, warum sie nicht aufgestellt wird, antwortet Bürgermeister Nussgraber am Telefon nur knapp, vor einer Landtagwahl könne man das Denkmal nicht aufstellen, das würde nur politischen Wirbel machen. Die Sache sei zu heikel, das Denkmal in Kemeten immer noch heftig umstritten. Vor dem Mikrofon wollte er keine Stellungnahme abgeben.

Bis zum Beginn der Deportationen nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1938 lebten in Kemeten rund 200 Roma. Sie wurden größtenteils im Lager Lackenbach (mehr hier) interniert oder direkt ins Ghetto Łódź gebracht. Von den nach Łódź Deportierten überlebte kein Einziger. Andere wurden nach Auschwitz deportiert; 47 Roma aus Kemeten wurden dort ermordet. Nur fünf der 200 Roma kehrten nach der Befreiung wieder nach Kemeten zurück. Bislang gibt es kein Denkmal für die Ermordeten.

(dROMa / volksgruppen.orf.at)

Responses

  1. Tweets that mention dROMa-Blog | Weblog zu Romathemen Die Schande von Kemeten :: -- Topsy.com says:

    März 31st, 2010 at 12:36 (#)

    [...] This post was mentioned on Twitter by Roma Service. Roma Service said: Die Schande von Kemeten: SPÖ-Bürgermeister verschleppt seit Jahren Aufstellung von #Roma-#Holocaust-Gedenktafel. http://bit.ly/cquv7h [...]

  2. dROMa-Blog | Weblog zu Roma-Themen | Kein Ort für Blumen und für Kerzen says:

    September 5th, 2011 at 06:05 (#)

    [...] südburgenländischer Ort verweigert sich stur dem Gedenken, schreibt heute der „Standard“. Die Schande von Kemeten, die Beleidigung der Toten dauert an: Rudolf Sarközi ist ein höflicher Mensch. Wenn der Chef des [...]