Nationalrat einstimmig für Roma-Gedenktag

Februar 1st, 2023  |  Published in Geschichte & Gedenken, Politik

Nationalrat (Foto: parlament.gv.at)Nationalrat einstimmig für nationalen Gedenk­tag für Roma und Sinti. Par­la­ments­frakt­io­nen setzen Initia­tive mit Vier-Par­tei­en-Ent­schlie­ßungs­an­trag

Wien (PK) – Fraktionsübergreifend setzte gestern der Nationalrat mit einem in der Sitzung ein­gebrach­ten Antrag von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS in der Ab­stim­mung ein­hellig eine Initiative zur Ein­führung eines nationa­len Gedenktags für Roma und Romnja sowie Sinti und Sintizze. Wie im ur­sprüng­li­chen Ent­schlie­ßungs­antrag der Ko­alitions­par­teien (wir be­rich­te­ten) wird vor­geschla­gen, je­weils am 2. August der unter dem NS-Regime ver­folgten und er­mor­deten Roma und Romnja sowie Sinti und Sintizze zu ge­denken. An diesem Tag werde bereits auf euro­päi­scher Ebene an die Holocaust-Opfer dieser eth­nischen Min­derheit gedacht. Ein­stimmig wurde auch eine weite­re Ent­schlie­ßung gefasst, und zwar für eine Evaluie­rung des Vollzugs der Min­der­heiten­schul­gesetze.

Vier-Parteien-Initiative für nationalen Gedenktag

Die Einführung des Gedenktages am 2. August begrüßten alle Redner:in­nen ein­hellig. Nikolaus Berlakovich (ÖVP) sagte, der Völker­mord an den Roma und Romnja sowie Sinti und Sintizze in der Ver­gangen­heit sei nie richtig auf­gearbeitet worden. Man habe in diesem Zu­sammen­hang sogar von einem „ver­gessenen Holocaust“ ge­sprochen. Die Kern­aufgabe der Gedenk­kultur sei aber, genau diese Fälle zu doku­men­tieren und sich ihrer zu erinnern, damit so etwas nie wieder pas­siere. Zugleich gehe es darum, auf die nach wie vor be­stehenden Dis­kriminierungen hin­zuweisen, um die aktuelle Situation der Betroffenen zu ver­bessern, so Ber­lakovich. Eine Kenntnis­nahme der dama­ligen Taten als Verbrechen be­deute zugleich Respekt vor den Opfern und solle auch den jetzt Lebenden Mut machen. Alexander Melchior (ÖVP) meinte, alle seien sich einig, dass es solche Gedenk­tage brauche, um immer wieder darauf auf­merksam zu machen, dass niemals ver­gessen werden dürfe, was da­mals passiert sei.

Ähnlich wie Berlakovich und Melchior griff Sabine Schatz (SPÖ) auf, dass es lange gedauert habe, bis diese Opfer­gruppe berück­sichtigt worden sei. Erst 70 Jahre später habe das Euro­päi­sche Par­lament den Beschluss zur An­erken­nung und für den Gedenktag am 2. August gefasst. Schatz ent­schuldigte sich bei den Opfern dafür, dass es so lange ge­dauert habe. Sie betonte, dass Gedenken und Erinnern auch be­inhalten müssten, Schluss­folge­rungen für die Gegen­wart und für ein „Nie wieder“ zu ziehen. Wichtig sei es, neben der Erinnerung an die Gräuel­taten der Geschichte zu diskutieren, was Hass, Hetze und Vor­urteile heute bedeuten, so Selma Yildirim (SPÖ). Sie er­innerte an das Attentat von Oberwart und warnte davor, dass „uns das allen pas­sieren kann“, wenn Men­schen zum „Spielball der Alltags­politik“ würden. Dem gelte es, ent­schieden und tag­täglich ent­gegen­zu­wirken.

Es sei ihr auch bisher schon ein Anliegen gewesen, diesen Volksgruppen eine Stimme zu geben, zumal es jene seien, die noch am meisten dis­krimi­niert werden, meinte Olga Voglauer (Grüne). Über den Gedenktag hinaus freue es sie, dass es in den letzten Jahren ge­lungen sei, auch eine Hoch­schüler­schaft österreichi­scher Roma und Romnja (HÖR) zu gründen. Wenn man über den nationalen Gedenktag spreche, gelte es, auch darüber zu reden, wie Roma und Sinti nach 1945 in der Zweiten Republik be­handelt wor­den seien, betonte Eva Blimlinger (Grüne). Erst 1988 seien diese als Opfer­gruppe anerkannt worden. Sie freue sich, dass auch die FPÖ bereits im Aus­schuss dem Anliegen zu­gestimmt habe. Zu­sätzlich gehe es aus ihrer Sicht um einen zentralen Ort des Gedenkens. Dazu sei bereits ein Antrag für eine nationa­le Gedenk­stätte be­schlossen worden.

Was die FPÖ betrifft, kritisierte Michael Bernhard (NEOS) das Ausbleiben des Applauses der Freiheit­lichen bei der An­gelobung von Bundes­prä­si­dent Alexander Van der Bellen, als dieser gesagt habe, dass es ge­meinsam jeden Tag an diesem „Niemals wieder“ zu arbeiten gelte. Ins­gesamt müsse man sich mit der Frage be­schäftigen, wie sicher­gestellt werden könne, dass in Zukunft in keiner Weise an­nähernd Ähn­liches wie die NS-Ver­brechen in unserer Gesell­schaft Platz finde. Wie der Gedenktag wäre auch für ihn ein Gedenkort ein wich­tiges Signal für ein würdiges Erinnern, zumal auch die Volks­gruppen den Wunsch danach ge­äußert hätten.

Auch Bundesministerin Susanne Raab begrüßte den Entschlie­ßungs­antrag. Ein Gedenktag leiste einen wichti­gen Beitrag zur Gedenk­kultur an die Opfer des National­sozialis­mus. Hass und Hetze dürfen in unserer Gesell­schaft keinen Platz haben, so Raab.

Evaluierung des Vollzugs der Minderheitenschulgesetze

Einen weiteren Entschließungs­antrag der Koalitions­parteien, nämlich eine Evaluie­rung des Vollzugs der Minder­heiten­schulgesetze und die Vorlage eines ent­sprechen­den Berichts an den Nationalrat, befür­worteten die Ab­geordneten ebenso einstimmig. Ins­beson­dere sollen das Angebot, die Konti­nuität und die Qualität des Unterrichts in den Volks­gruppen­sprachen sowie die ein­schlägigen Unterrichts­mate­ria­lien – unter Berück­sich­tigung der Lehrpläne und der Kompetenz­raster – unter die Lupe ge­nommen werden.

Der Erhalt einer Volksgruppe hänge maßgeblich davon ab, ob die Identität und damit die Kultur und Sprache weiter­gegeben werden können und an­genom­men werden, befür­wortete Ministerin Raab auch diesen Antrag. Auf Sprache und Kultur sowie auf Bestand und Erhaltung der Volks­gruppen zu achten, diese zu sichern und zu fördern sei auch der Bundes­regierung ein wichtiges Anliegen. So sei etwa in den letzten Jahren die Volks­gruppen­förderung verdoppelt und mit einer Wirkungs­orientierung hin­terlegt worden.

Sprache stelle ein zentrales Element einer Volksgruppe dar, unterstrich auch Nikolaus Berlakovich (ÖVP). Wichtig sei daher, dass in den Minder­heitenschul­gesetzen die Zwei­sprachigkeit vor­gesehen sei. Es gelte, diesen Rahmen jetzt zu evalu­ieren, um dann die Schlüsse daraus zu ziehen, wie der zwei­sprachige Unterricht ver­bessert werden könne. Rudolf Taschner (ÖVP) verortet darüber hinaus die „Heimat“ in der jewei­ligen Sprache, die man spreche. Darum sei es immens wichtig, die Förderung der Mutter­sprachen der Volks­gruppen ernst zu nehmen.

Zweisprachig aufzuwachsen erachtet Olga Voglauer (Grüne) als ein Privileg. Es gehe darum, diese Sprach­kompetenz zu stärken. Sie wolle „eine Lanze brechen“ für qualitäts­vollen zwei­sprachigen Unterricht. Als beson­deres Anliegen nannte Eva Blimlinger (Grüne), dass überall in Österreich, wo die Volksgruppen ver­treten sind, die jeweils zweite Sprache gelernt werden kön­nen sollte, die eben auch Erstsprache ist. Außerdem sprach sie sich für eine rasche An­erken­nung der Jenischen aus, wie das etwa in der Schweiz bereits er­folgt sei.

Auch Selma Yildirim (SPÖ) hob hervor, wie wichtig es sei, Sprachen und deren Vielfalt zu fördern. Sprachen­vielfalt stelle eine Bereiche­rung, nie­mals eine Bedrohung für eine Gesell­schaft dar. Michael Bernhard (NEOS) gab zu be­denken, dass Volks­gruppen vor Ort nicht die adäqua­ten Struk­turen finden würden. Aus seiner Sicht müssten vermehrt digitale und mediale Bildungs­angebote geschaffen werden, um die Angebote für Volks­gruppen auch in die Zukunft zu führen.

(Text: Parlamentskorrespondenz Nr. 92 vom 31.01.2023)

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