„Es braucht ein Gesetz zum Schutz der Roma“
Januar 28th, 2023 | Published in Einrichtungen, Interview, Politik, Rassismus & Menschenrechte
BVZ: Emmerich Gärtner-Horvath im Gespräch
Heuer jährt sich die Anerkennung der Roma als Volksgruppe zum 30. Mal. Emmerich Gärtner-Horvath, Vorsitzender des Volksgruppenbeirats der Roma und Obmann des Vereins Roma-Service über Vorurteile, Integration und die Identität.
BVZ.at: Am 13. März 1987 überbrachten junge Oberwarter Roma dem damaligen Bundespräsident Kurt Waldheim eine Petition, in der sie sich gegen das Lokalverbot in Oberwarter Diskotheken wehrten. Unglaublich, dass so etwas vor knapp 35 Jahren möglich war. Sechs Jahre später folgte am 16. Dezember 1993 durch einen Beschluss im Hauptausschuss des Nationalrates die Anerkennung der Roma als sechste Volksgruppe in Österreich.
Im Rückblick, was hat sich seitdem verändert?
Emmerich Gärtner-Horvath: Es war ein langer Weg, aber ein wichtiges politisches Signal, welches durch die Anerkennung gesetzt wurde. Vorurteile und Diskriminierungen gibt es nach wie vor und denen gilt es entgegenzuwirken. Es ist nicht alles eitel Wonne, aber es ist unser Ziel, dass Roma Bildung ohne Vorurteile genießen und ohne Diskriminierung. Die Sprache können wir nur dann retten, wenn sie unsere Kinder auch leben dürfen, ohne, dass sie dadurch in der Gesellschaft Nachteile haben.
Genau die Sprache der Roma ist es, die von vielen in der Volksgruppe aber nicht mehr gesprochen wird. Aus Scham oder weil es zu wenig Möglichkeiten gibt?
Gärtner-Horvath: Die Sprache ist ein unverzichtbarer Kulturträger und eine eigenständige Kultur wird am besten von der Gruppe bewahrt und gepflegt, die auch ihre eigene Muttersprache bewahrt und pflegt. Denkt man daran, dass erst mit der Anerkennung die Spurensuche nach unserer Identität begonnen hat, dann ist die Entwicklung rasant. 1995 haben wir das erste Buch herausgebracht, 1996 wurde Romanes im Minderheitenschulgesetz in Burgenland verankert, 1999 haben wir erstmals Romanes unterrichtet.
Sie sind einer der wenigen, die sich in der Volksgruppe engagieren. Warum?
Gärtner-Horvath: Ich habe die Ungerechtigkeit nicht mehr ertragen. Nur reden war mir zu wenig, ich wollte etwas ändern. Und, weil es die Politik nicht getan hat, mussten wir es versuchen. Für mich ist das von Anfang an festgestanden, dass es nur ein Weiter gibt. Das war nicht bei allen so. Denkt man beispielsweise ans Attentat 1995. Da sind in vielen Häusern die Rollläden heruntergegangen und lange nicht mehr rauf.
Ganz persönlich , wie schwer war es in der Zeit des Attentats, ein Rom zu sein?
Gärtner-Horvath: Es sind Momente da, wenn man rund um Europa schaut, wie sich die Situation immer weiter entwickelt. Man kann sagen, dass sich für uns in Österreich viel entwickelt hat, aber die gesellschaftlichen Probleme, Diskriminierung, dieses Klischeebild ist noch immer vorhanden. Keine Politik kann von uns verlangen, dass wir selber das Bild ändern. Wir können es alleine nicht.
Was braucht es dazu?
Gärtner-Horvath: Es braucht ein Gesetz. Es ist höchste Zeit, dass Roma geschützt werden. Wenn Personen da sind, die das nicht machen, dann müssen sie gestraft werden. Wie sieht man diese Geschichte, wie hat man diese Geschichte von der Politik und der Justiz wahrgenommen und wie will man die im Richterspruch gesetzlich widerspiegeln lassen? Für mich ist das so eine Sache, genau wie das Gleichbehandlungsgesetz, wo alle Gruppierungen drinnen sind, was nichts aussagt. In ganz Europa sind die Roma der Diskriminierung ausgesetzt und man muss in einem Land beginnen. Wenn ich jemanden diskriminiere, dann muss ich gestraft werden.
Gibt es dahingehend schon Gespräche?
Gärtner-Horvath: Ich habe das durch die Roma-Strategie schon ein paar Mal angesprochen. Von 400 Befragten haben 99,9 Prozent gesagt, dass sie diskriminiert werden. Ich glaube, da ist der Aufruf sehr groß, dass etwas passieren muss. Ich habe das im Bundeskanzleramt deponiert, mein Beirat wird hoffentlich dahinterstehen. Wir hoffen auf ein Gespräch mit den zuständigen Ministerinnen Zadić und Raab und mit Nationalratspräsident Sobotka. Wir können das nicht mehr mit Workshops lösen, das ist eine Beschäftigung für uns, das ist lächerlich, das ist nervenaufreibend. Kein Polizist geht in Workshops, wo er alkoholisierte Autofahrer aufklärt, sondern der straft sie. Das ist nix anderes. Es soll gesetzliche Voraussetzungen geben, wie weit die Gesellschaft gehen kann und wo einfach der Punkt ist, wo es genug ist. Und ein Land muss damit beginnen, am besten Österreich. Damit würde man in ganz Europa eine Kettenreaktion auslösen.
Gerade da ist aber jetzt die Politik gefordert?
Gärtner-Horvath: Es gibt genug Papiere, Studien, Aussagen, es gibt genug politische Fraktionen, die noch Politik daraus schlagen, und das darf nicht passieren. Politiker, die so vorgehen, haben in der Politik nichts verloren. Es ist höchste Zeit auch diese Politiker in die Schranken zu weisen.
Um ein Gesetz zu machen, braucht es aber einiges.
Gärtner-Horvath: Wir haben erst kürzlich ein Gespräch im Bundeskanzleramt gehabt, wo wir das wieder gefordert haben. Wir gehen Schritt für Schritt und wollen alle Minderheitensprecher ins Boot holen, um etwas zu machen. Als Beirat können wir die Gesetze zur Empfehlung bringen und die Zeit ist jetzt da.
Noch ein Blick zurück zum Attentat, was hat das mit der Volksgruppe gemacht?
Gärtner-Horvath: Es hat gezeigt, dass wir verletzbar sind. In einer Zeit des Aufschwungs war das der größte Rückschlag. Man hat gemerkt, dass Randgruppen ein Angriffspunkt sind. Wir haben lernen müssen, mit solchen Situationen umzugehen.
Wie habt ihr das geschafft?
Gärtner-Horvath: Wir haben gesagt, dass wir unseren Weg weitergehen. Wir haben weitergearbeitet, haben Bücher herausgegeben, es sind Theaterstücke entstanden. Es hat viele Menschen gegeben, die solidarisch waren, die haben uns gestärkt. Wir haben dadurch gemerkt, dass wir nicht alleine sind. Natürlich hat es aber Leute gegeben, die sich das Maul zerrissen haben, aber die wird es immer geben.
Habt ihr das Gefühl gehabt, dass man innerhalb der Gruppe mehr zusammengewachsen ist?
Gärtner-Horvath: Es hat welche gegeben, bei denen die Angst gesiegt hat. Viele sagen zwar innerhalb der Gruppe, dass sie Roma sind, aber nicht in der Gesellschaft. Weil sie sich fürchten, dass sie dadurch Nachteile haben.
In welchen Bereichen merkt man das?
Gärtner-Horvath: In allen Bereichen eigentlich. Auch 2002 hat man noch von Leuten gehört, dass sie einen Rom als Lehrling nicht nehmen, weil dann die Gäste das Geschirr nicht mehr benützen können.
Wo merken Sie persönlich die Diskriminierung?
Gärtner-Horvath: Weil ich Funktionär bin, wissen die Leute, woran sie sind. Wäre ich das nicht, würde ich das genau so merken, wie jeder andere.
Wäre es ein Punkt, dass man eure Geschichte mehr verbreitet ,um ein anderes Bild zu generieren?
Gärtner-Horvath: Dazu braucht es ein Gesetz und dazu muss das auch in Unterrichtsmaterialien Thema sein. Im Burgenland funktioniert das, aber es sollte überall funktionieren. Ein Beginn wäre die Entwicklung von Lehrmaterialien vom Bildungsministerium und nicht nur den Auftrag im kulturellen Bereich zu erfüllen, das ist zu wenig.
Hilft das Volksgruppen Haus in Oberwart dabei, die Barrieren abzubauen?
Gärtner-Horvath: Wir arbeiten seit jeher mit allen Volksgruppen zusammen. Mit dem Haus wird der Austausch mit den anderen Gruppen hoffentlich noch besser werden und auch die Entwicklung von gemeinsamen Projekten. Wichtig ist es aber, die Mehrheitsbevölkerung einzubinden. Wenn der Austausch passiert, ist es eine Selbstverständlichkeit, um Vorurteile abzubauen, ohne großartig darüber zu sprechen.
Braucht es viel mehr Leute aus der Volksgruppe, die so selbstbewusst auftreten?
Gärtner-Horvath: Natürlich ist das wichtig. Jeder soll zu seiner Identität stehen dürfen. Wenn man sein ganzes Leben durch seine Identität belastet ist, dann kann man verstehen, dass es viele Menschen gibt, die schlaflose Nächte haben und das darf nicht sein.
Und umgekehrt? Braucht es mehr Politik, um die Diskriminierung der Roma zu beenden?
Gärtner-Horvath: Es wäre natürlich leichter, wenn alle Parteien dahinterstehen würden. Wir sind alle Österreicherinnen und Österreicher.
Zur Person
Emmerich Gärtner-Horvath ist seit 2016 Vorsitzender des Volksgruppen-Beirates der Roma. Geboren und wohnhaft in Kleinbachselten (Bezirk Oberwart) ist Gärtner-Horvath seit Beginn im Roma-Beirat aktiv. Er war beim Verein Roma Oberwart und hat 2004 den Verein Roma-Service gegründet, dem vor allem die Förderung, Bewahrung und Dokumentation der Kultur der burgenländischen Roma ein Anliegen ist.
(Text: Carina Fenz/BVZ.at, 26.1.2023)