ICE nach Berlin: Roma-Flüchtlinge „aussortiert“
April 9th, 2022 | Published in Rassismus & Menschenrechte | 1 Comment
Pressemitteilung der Bundesvereinigung der Sinti und Roma und RomnoKher: Ukrainische Roma am Welt-Roma-Tag aus dem ICE nach Berlin „aussortiert“. MEP Romeo Franz: „Mich erreichen fast täglich Berichte, über Probleme beim Grenzübergang, die Verweigerung des Zugangs zu Hilfsangeboten und die Behandlung als Geflüchtete zweiter Klasse.“
Gestern, am Internationalen Roma-Tag, den 8. April 2022, wurden ca. 34 ukrainische Geflüchtete mit romanessprachigem Hintergrund durch Beamte der Polizei und Mitarbeiter der DB-Sicherheit aus einem ICE in Kassel-Wilhelmshöhe geholt. Einer der Polizeibeamten führte einen Schäferhund mit.
Laut Aussagen der Zeugin Sevda A. fuhr der ICE 370 Richtung Berlin-Ostbahnhof als in Hessen mehrere geflüchtete Erwachsene und Kinder mit Gepäck in großen Tüten einstiegen. Etwa eine halbe Stunde später, gegen 14 Uhr, lief, während der Zug fuhr, die Durchsage: „Aufgrund von gegebenem Anlass möchten wir Sie darum bitten, Ihre Wertsachen bei sich am Körper zu tragen.“ Eine Zugbegleiterin unterstellte mutmaßlich, dass es sich bei den Menschen nicht um ukrainische Geflüchtete handele und rief die Polizei. Die Deutsche Bahn bietet ukrainischen Geflüchteten kostenlose Zugfahrten an. Als der Zug in Kassel-Wilhelmshöhe hielt, stiegen mehrere Polizeibeamte ein. Einer der Beamten soll mehrfach geäußert haben, dass sie jetzt hier durchgehen und „aussortieren“.
Die BVSR und RomnoKher verlangen eine schnellstmögliche Aufklärung der Vorgänge gestern Nachmittag im ICE nach Berlin. Wir haben uns bereits mit der Bundespolizei in Verbindung gesetzt und werden auch die Bahn kontaktieren.
Romeo Franz, Generalsekretär der Bundesvereinigung der Sinti und Roma e.V. kommentiert:
„Ich bin schockiert von diesem Zeugenbericht und dem mutmaßlichen Vorgehen der Polizeibeamten und Mitarbeitern der DB. Dass die Zahl antiziganistischer Vorfälle in Deutschland steigt, ist leider zu erwarten. Die Fälle, in denen ukrainischen Roma unterstellt wird, keine ‚echten‘ Kriegsflüchtlinge zu sein, häufen sich. Ihnen wird unterstellt sich Leistungen erschleichen zu wollen – ein uraltes, zutiefst rassistisches Ressentiment. Unter den Menschen, die aus der Ukraine in die europäischen Nachbarstaaten fliehen, befinden sich viele ukrainische Roma. Sie gehören zu den besonders vulnerablen Gruppen in diesem Konflikt, da sie teilweise vor dem Krieg bereits in prekären Verhältnissen lebten und im Rahmen der Flucht rassistischer Diskriminierung ausgesetzt sind. Mich erreichen von Aktivisten und NGOs fast täglich Berichte, über Probleme beim Grenzübergang, die Verweigerung des Zugangs zu Hilfsangeboten und die Behandlung als Geflüchtete zweiter Klasse.“
Daniel Strauß, Leiter von RomnoKher gGmbH:
„Auch in Deutschland kam es bereits zu antiziganistischen Diskriminierungen: Am 23. März am Mannheimer Hauptbahnhof kam es zu einer Szene in der Angestellte der DB-Sicherheit Roma vermeintlich den Status als Flüchtlinge absprachen und unter Anführung von antiziganistischen Stereotypen den Zugang zu Hilfsangeboten zunächst verwehrten. Die Behörden der Gemeinden, Städte und Bundesländer, die Hilfsorganisationen und auch Sicherheitsdienste an Bahnhöfen und in Notunterkünften sind in der Verantwortung ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für diese Problematik zu sensibilisieren, um derartigem Rassismus entgegenzuwirken. Es ist zu erwarten, dass die Zahlen von Geflüchteten aus der Ukraine steigen. Wir fordern von DB, DB-Sicherheit und Bundespolizei, dass Sensibilisierungsmaßnahmen für Mitarbeitende unternommen werden und man aus den Vorfällen strukturelle Konsequenzen zieht.“
(Text: Presseaussendung der Bundesvereinigung der Sinti und Roma und des RomnoKher)
Siehe auch:
Diskriminierung durch Deutsche Bahn: Flüchtende aus der Ukraine aus Zug geworfen, 9.4.2022
April 30th, 2022 at 16:01 (#)
[...] Es ist nicht das erste Mal, dass Roma beim Transport mit der Bahn Diskriminierung erleben. Ebenfalls am 8. April ereignete sich laut Frankfurter Rundschau ein rassistischer Vorfall in einem ICE in Kassel. Eine Bahnmitarbeiterin unterstellte 34 flüchtenden Roma aus der Ukraine, sie seien keine ukrainischen Geflüchteten und rief die Polizei. Ein Beamter soll zu den Roma gesagt haben, sie würden jetzt „aussortiert“ (wir berichteten). [...]