„Bibi Sara Kali“ im Stream

Juni 21st, 2021  |  Published in Film & Theater

Bibi Sara KaliDer Verein Romano Svato zeigt sein Stück „Bibi Sara Kali“, entstan­den in Ko­ope­ra­tion mit Werk-X-Pe­ters­platz, bis 20. Juli 2021 on­line als Thea­ter­film. Kon­zept & künst­le­ri­sche Lei­tung: Simonida Seli­mo­vić; Regie: Nina Kusturica

Romano Svato über das Stück:

Bibi Sara Kali“ entstand nach einer Idee von Simonida Selimović. Aus per­sön­lichen Erfah­run­gen, dem Ge­dächtnis der jahr­hun­derte­langen Geschichte der Rom*nja und ak­tuel­len Vor­fällen haben der Wiener Autor Ibrahim Amir und das Ensemble eine Tragi­komödie ent­wickelt, die in der Bibi Sara Kali eine Göttin des Wider­stands und Über­lebens findet.

Bibi Sara Kali ist die mächtige Patronin der Roma, Be­schüt­zerin, Weg­begleite­rin, Rom*nja Wonderwoman. Ihr Kult wird von Roma welt­weit in regiona­len Abwand­lungen ze­lebriert. Auf dem Balkan ist ihr der Bibijako Djive, der „Tag der Tante“, ge­widmet. Ein letztes Mal wollte Jelena den Bibijako Djive be­gehen und stieg deshalb in den Bus von Wien-Erd­berg nach Boljevac, ihre Heimat­stadt in Serbien. Dort feierte sie – und dort starb sie tags darauf.

Ihr Tod gibt den Töchtern Snežana, Melisa und Tanja viele Fragezeichen auf: Seit der Migration nach Wien vor dreißig Jahren, welche die beiden älte­ren Schwes­tern als kleine Kinder mit­erlebt haben, gab es kaum noch Kontakt zur Familie in Serbien; und auch, dass die Mutter auf­ge­brochen war, um den Bibijako Djive zu feiern, ist ver­wunder­lich, schließ­lich hatte sie in Wien ihre Identität als Romni geheim ge­halten und ihre Töchter ohne Tra­ditio­nen er­zogen. Die drei Schwestern, einan­der seit Jahren ent­fremdet, und Snežanas Ehe­mann Taiye machen sich auf den Weg nach Boljevac, um die Mutter zu be­erdigen.

Antworten auf ihre Fragen finden sie dort weder in Tante Dra­goslavas knap­pen Aus­künften noch in Zuckerorakeln oder Cousin Marcos schnaps­getränk­ten Fan­tasien einer bes­seren Zukunft in der EU. Unter die schmerz­haften Erinnerun­gen an Dis­kriminie­run­gen in den Kind­heits­tagen vor der Migration und an die schwie­rige erste Zeit in Wien mischen sich plötz­lich solche, die keine der drei Schwestern selbst erlebt haben. Und dann ist da noch Jelenas letzte Botschaft, die mit der Bibi Sara Kali zu tun hat …

Das Besondere dieser Inszenierung ist, dass hier aus der Perspek­tive von Roma er­zählt wird, anstatt dass, wie so oft, über sie gesprochen wird. Pro­fes­sio­nelle Roma-Künst­ler*in­nen stehen auf der Bühne und ver­handeln Ge­schichten, die aus ver­schie­denen Roma-Com­munitys stammen.

Unser Projekt dreht sich zum einen um das immaterielle Kulturerbe der Roma, zum anderen aber auch um das Ver­heim­lichen der Identität als Roma; um das Leben im Ver­bor­genen. In der Heran­gehens­weise war es Romano Svato wichtig, dass bei allen Be­teiligten ein Ver­ständnis von Rassismus und die ent­sprechende Sensi­bilität vor­handen sind.

Rassismus hat System und ist eine reale Bedrohung für Betrof­fene. Darüber lässt sich nicht dis­kutieren. Darüber gibt es keine Zweifel. Rassis­mus­erfah­run­gen müssen ernst ge­nommen werden. Sehr wohl müs­sen wir jedoch darüber dis­kutieren, wie wir gegen Rassismus vor­gehen können. Dieser Diskurs be­stimmte auch den künst­leri­schen Ent­ste­hungs­prozess des Stückes und floss in den Text mit ein.

Für die beteiligten Roma-Künstler*innen liegt eine beson­dere Heraus­forde­rung darin, sich der Scham, unter der so viele Roma leiden, zu stellen, die Un­sicht­bar­keit ab­zu­legen und über jene Themen zu spre­chen, die das direk­te Umfeld be­treffen.

(Text: Romano Svato)

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