Ukraine: Roma am Pranger

März 26th, 2022  |  Published in Rassismus & Menschenrechte

Bilder von Misshandlungen in der Ukraine (Fotos via RAN\Von mehreren Seiten wurden wir auf Bilder aus ukraini­schen Städten hin­ge­wiesen, die miss­han­delte Plün­de­rer zeigen sollen, darun­ter ins­beson­dere auch Romnja. Aus der Distanz ist es uns der­zeit kaum mög­lich, diese Vor­würfe bzw. den Kontext des Bild­mate­rials zu veri­fi­zieren, und die Gefahr, sich damit selbst un­beab­sich­tigt mitten hinein in den Propa­gan­da­krieg der Bilder zu be­geben, ist groß. Das inter­natio­nal bes­tens ver­netzte und immer gut in­for­mierte Roma Anti­discri­mi­nation Network (RAN) jeden­falls hält die Bilder für authen­tisch. Wir geben im Fol­gen­den den Be­richt des RAN wieder:

In den letzten Tagen gingen Fotos durch die soziale Medien, auf denen Romnja zu sehen waren, die mit gelbem Klebe­band an Pfosten ge­bunden waren. Ihre G­esichter wurden grün oder blau angemalt. Schnell machten sich Äußerun­gen breit, dies sei „Putin-Propaganda“ und Fake News. Tat­sächlich werden die Bilder in russischen Medien ver­breitet. Jedoch werden sie genauso von ukraini­schen Rechts­extremen verbreitet – mit rassisti­schen Äußerun­gen gegen Roma. In west­lichen Medien hin­gegen werden sie ver­schwiegen.

Nach unseren Informationen handelt es sich um eine an­schei­nend aktuell gän­gige Metho­de der Selbstjustiz in der Ukraine, mit denen vermeintliche „Diebe“ be­straft werden. Beweise für die Dieb­stähle gibt es keine. Die Fotos der Selbst­justiz jedoch sind echt.

Menschen, die des Diebstahls verdächtigt werden, werden an Pfosten ge­bunden, angemalt, teil­weise werden sie ent­kleidet, ge­schlagen, und es gibt auch Nach­rich­ten über Ver­gewaltigungen. Das Ganze erinnert an mittel­alterliche Pranger. Selbst Kinder werden nicht ver­schont. Dass es gerade Romnja waren, deren Bilder viral gingen, führt in Kom­bination mit dem anti­ziganis­tischen Motiv der unter­stell­ten Diebstähle reflexartig zu Hate Speech gegen Roma. In der Ukraine ist der Rassismus gegen Roma noch er­heblich offener und all­äglicher als in West­europa. Hinzu kommt der aggres­sive Rassismus durch rechtsextreme „Bürgerwehren“ wie das Azov-Regiment und C14, die immer wieder gewalt­tätige Übergriffe auf Roma und ihre Camps ver­übten. Die Unter­stellun­gen, Roma würde jetzt auch noch Flüch­tende beklauen, werden den Rassis­mus noch ver­stärken. In diesem Motiv kommt nicht vor, dass Romnja selbst Flüch­tende sind.

Die Flucht von Romnja aus der Ukraine wird stark be­hindert. Täglich erfahren wir von fliehen­den Romnja, wie sie dis­krimi­niert wurden und werden. Sowohl in der Ukraine als auch in den an­gren­zenden Ländern. In den Län­dern, in die sie fliehen, geht die Diskriminierung weiter (mehr hier) Dass sie jetzt auch noch be­schuldigt werden, „Flüch­tende“ zu be­stehlen, trägt weiter zur Spaltung der Ge­flüch­teten bei: Näm­lich in die guten weißen Flüch­tenden, die vor dem Krieg fliehen, und die Roma, die nur vor wirt­schaft­licher Not fliehen würden.

(Text: RAN, 24.3.2022)

Comments are closed.