Kind in Handschellen: zweite Strafanzeige

März 10th, 2021  |  Published in Rassismus & Menschenrechte

Streifenwagen (Bild von Cornell Frühauf/Coernl auf Pixabay)Vor einem Monat erhob der Landesverband Deut­scher Sinti und Roma in Ba­den-Württem­berg Vor­würfe gegen die Po­lizei­ wegen eines Über­­griffs auf ein elf­jäh­ri­ges Kind in Singen (wir be­rich­te­ten). Nach einem an­fäng­li­chen De­menti be­stä­tigte die Polizei, dass es einen sol­chen Vor­fall gab; die Kri­minal­poli­zei hat in­terne Er­mitt­lun­gen auf­ge­nom­men. Nun be­richtet der Landes­ver­band, dass eine wei­te­re Strafanzeige er­stat­tet wurde:

Am 8. März 2021 fand in Singen (Ba­den-Württem­berg) die Ver­neh­mung des elf­jähri­gen Kindes, das am 6. Febru­ar 2021 in Hand­schellen von meh­reren Polizisten ab­geführt wurde, und weite­ren Zeugen und Zeu­gin­nen statt. Gegen vier Polizisten und Poli­zistin­nen laufen ak­tuell Ermitt­lungen wegen Frei­heits­berau­bung auf­grund einer am 9. Februar 2021 ge­stellten Straf­anzeige. Der Zeugen­bei­stand Engin Sanli hat nach der richter­lichen Ver­nehmung gegen einen der betei­lig­ten Polizisten eine weite­re Straf­anzeige wegen Beleidi­gung und Frei­heits­berau­bung gestellt.

In einem Hochhaus in Singen hatten zwei Kinder auf einem Balkon im Treppen­haus ge­spielt. Während der Be­fragung hatte ein Beamter eines der Kinder, nach­dem es seinen Nach­namen genannt hatte, ge­fragt, ob es von der „Zigeuner­familie“ sei. Vor dem Haus hatten bereits zwei weite­re Beamte zwei Kinder nach deren Per­sona­lien befragt. Als die Be­amten das Gebäude mit den Kindern ver­ließen, nahmen sie die Perso­na­lien der Kinder auf, die unten vor dem Haus spiel­ten. Hierbei wur­de eines der Kinder sinn­gemäß mit den Worten „Einer von den Zigeunern, die kennen wir ja“, „Du kommst eine Nacht hinter Gitter“ und „Der Tod kommt dich holen“ be­droht. Ohne er­sicht­li­chen Anlass führ­ten die Beamten darauf­hin einen elf­jährigen Jungen in Hand­schellen ab.

Rechtsanwalt Engin Sanli: „Im Zuge der richterlichen Ver­nehmung von zwei Zeugen ist be­kannt geworden, dass ein Polizei­beamter gegen­über einem weiteren Kind gesagt habe, ob es von der ‚Zigeuner­familie‘ wäre. Ihm wurde außer­dem verwehrt, an das Handy zu gehen, als sein Vater ihn anrief. Die Befra­gung fand auf einem Balkon im 15. Stock statt. Dort mussten die Kinder auch ihre Taschen leeren. Diese länger an­dauern­de Situation war für die Befragung nicht an­gemes­sen. Darauf­hin habe ich gestern zu­sammen mit der Familie Straf­anzeige gestellt.“

Daniel Strauß, Vorstandsvorsitzender des VDSR-BW: „Die Kinder waren sehr tapfer und haben aus­gesagt. Wir ver­trauen hier in die rechts­staat­lichen Instru­mente der Er­mittlungs­behörden und sind uns sicher, dass der Sache nach­ge­gan­gen wird. Wir sind im Gespräch mit dem Innen­ministerium, wie wir struk­turell dem Phäno­men des Antiziganismus be­geg­nen können.“

Auf Veranlassung des VDSR-BW hat zudem der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma am 9. März 2021 eine Beschwerde we­gen diffa­mie­ren­der Bericht­erstat­tung in den Stuttgarter Nachrichten vom 11. Febru­ar 2021 beim Presserat ein­ge­reicht.

(Text: Presseaussendung VDSR-BW)

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