Tschechien: Roma nähen Schutzmasken

März 22nd, 2020  |  Published in Allgemeines

Roma produzieren Masken 1Auch in Tschechien man­gelt es an Schutz­mas­ken. Roma-Com­mu­nities im gan­zen Land haben sich zu­sam­men­ge­tan, um Mas­ken in mög­lichst gro­ßer Zahl her­zu­stel­len und zu ver­tei­len.

Wie in Österreich mangelt es auch in Tschechien an Schutz­masken – nicht nur für die breite Bevöl­ke­rung, son­dern auch für das medizi­nische Per­sonal und beson­ders gefähr­dete Per­sonen. Zudem ist in Tschechien seit ver­gan­ge­ner Woche das Tragen eines Nasen-Mund-Schutzes im öffent­li­chen Raum (zumal in Innen­räu­men wie in Ämtern, Büros oder Super­märkten) ver­pflich­tend vor­ge­schrie­ben. Überall im Land betei­ligen sich nun Frei­willige an der Her­stel­lung von Atem­masken, um die Bevöl­kerung mit diesen Masken zu ver­sorgen und der rasan­ten Aus­breitung der Coro­na-Pan­demie ent­gegen­zu­wirken. Auch Roma-Com­mu­nities in meh­reren tsche­chischen Städten haben damit be­gonnen, Schutz­masken zu nähen und zu ver­teilen.

„Es kommen auch Leute aus der Stadt“

Roma produzieren Masken 2In der nordböhmischen Plattenbau­siedlung in Chánov bei Most bei­spiels­weise musste der Verein „Aver Roma“ seine Tätig­keiten, Sport- und Bil­dungs­program­me für Roma-Kinder, wegen der Quarantäne aus­setzen. Um nicht in der Un­tätigkeit zu ver­harren, zögerten die Vereins­mitglieder nicht lange und gin­gen dazu über, Masken zu nähen. Romea.cz zitiert Peter Bažo von „Aver Roma“: „Das ist schon unser dritte Tag beim Nähen, und wir haben es ge­schafft, zwischen 250 und 300 Gesichts­masken her­zu­stellen und zu ver­tei­len. Bis 18 Uhr nähen wir, und dann macht sich einer von uns ans Ver­teilen. Die Leute kom­men wegen der Schutz­masken zu uns, meis­tens nur eine Person für die ganze Familie, und wir geben die Masken aus. Haupt­säch­lich handelt es sich um Leute aus der Siedlung von Chánov, aber es kom­men auch Leute aus der Stadt zu uns, und selbst­ver­ständ­lich machen wir keinen Unter­schied, egal wer da kommt.“

Aufklärung in den Roma-Gemeinden

Viele marginalisierte (Roma-)Gemeinden in Tschechien stehen der Pandemie beson­ders schutzlos gegen­über. Auch in der Slowakei er­schwe­ren eng ge­drängte Wohn­ver­hältnisse und die unzureichende Versor­gung mit saube­rem Wasser und mit Hygiene­artikeln die Lage in den Roma-Sied­lungen. Aus diesem Grund haben die slowaki­schen Behör­den am 16. März empfohlen, den Ein­wohnern margina­li­sierter Sied­lungen sofort einen un­begrenz­ten Zugang zu Trink­wasser zu er­mög­li­chen.

Das „European Roma Rights Centreappellierte in einem Schreiben an die Welt­gesund­heits­orga­ni­sation WHO, die Regie­run­gen der euro­päischen Staaten dazu zu be­wegen, solche be­nach­teilig­ten und von der Pandemie be­sonders be­droh­ten Siedlungen drin­gend mit sauberem Trink­wasser zu ver­sorgen. Laut einer Studie des ERRC von 2017 be­findet sich über die Hälfte der euro­päi­schen Ro­ma-Sied­lun­gen mehr als 150 Meter von der nächs­ten Wasser­versorgungs­stelle ent­fernt, was diese Be­völ­ke­rungs­gruppe hin­sichtlich der Aus­breitung des Virus be­sonders ge­fährdet.

In Tschechien bemühen sich nun Roma-Organisationen wie IQ Roma servis oder Romodrom darum, die Ein­wohner der Sied­lungen über die Pan­demie und wich­tige Vorsichts­maß­nahmen aufzuklären. So werden in den Siedlungen Info­blätter auf Romani und Tschechisch ver­teilt und Kontakt­num­mern be­kannt ge­geben, an die sich Roma um Rat und Hilfe wen­den können.

Sozialarbeiter ohne Schutz

Viele Sozialeinrichtungen mussten ihre Betreuung und Hilfe­leistungen je­doch wäh­rend der landes­weiten Quaran­täne stark herunter­fahren oder über­haupt ein­stellen, weil ihre Mit­arbeiter über keinen aus­reichen­den Schutz, sprich: Masken ver­fügen. Der Com­mu­ni­ty-Verein CEDR im nord­tschechi­schen Rumburk an der deutschen Grenze ver­sucht da­gegen an­zu­kämpfen (Video): „Es ist jedem klar, und wir sind da keine Aus­nahme, dass es genau die Mit­arbeiter von Sozial­diensten sind, die jetzt auf­grund des Mangels an Gesichts­masken so sehr in Gefahr sind. Aus diesem Grund haben wir be­gonnen, ge­mein­sam mit unse­ren Kollegen und unter der Lei­tung unse­res Direktors, un­sere eige­nen Masken zu nähen. Diese Masken sind jetzt natür­lich nicht nur für uns selbst, son­dern wir verteilen sie an unsere Klien­ten und deren An­ge­hörige“, erklärt die CEDR-Mit­arbei­te­rin Marcela Surmajová gegen­über der Ro­ma-Nach­rich­ten­agentur Romez.cz: „Wir glau­ben, dass wir, indem wir das tun, zu­min­dest irgend­was zum Gefühl von Sicher­heit und Schutz in dieser der­zeit so schwie­rigen Situa­tion bei­tragen.“

Nähworkshops in Ostrava

In der marginalisierten Gemeinde von Liščina in Ostrava (Mährisch-Ostrau) im Ostteil des Landes widmet sich die NGO „Vzájemné soužití“ dieser Aufgabe: „Das hat sich als Idee aus der Com­munity heraus ent­wickelt. Es sind keine Gesichts­masken vor­handen, jeder weiß das, und daher wollten wir helfen“, berich­tet der Lei­ter Kumar Vishwanathan: „Zu­erst kamen Mütter zu uns, um zu lernen, wie sie selbst nähen können. Als dann jedoch die all­gemei­ne Quarantäne ver­hängt wurde, war es ihnen nicht mehr mög­lich hierher­zu­kommen. Wir haben deshalb ein gemisch­tes Team zu­sammen­gestellt, zwei Ro­ma-Frauen und zwei Nicht-Ro­ma-Frau­en, die bei uns arbeiten. Und die nähen jetzt die Gesichts­masken für den Rest: Die Leute rufen sie an und be­stellen so viele Masken, wie sie be­nötigen. Sie werden genäht und ein An­ge­höri­ger pro Familie kommt vor­bei, um sie ab­zu­holen. Nächste Woche möch­ten wir einen weite­ren dieser Workshops im Zentrum von Ostra­va ab­halten.“

Und auch im äußersten Westen des Landes, in der Region Karlovy Vary (Karlsbad), tun Roma-NGOs, was sie kön­nen: In Chodov zum Bei­spiel sind einige Mit­arbeiterin­nen der ge­mein­nützi­ge Roma-Or­ganisation „Khamoro“ seit einigen Tagen damit be­schäftigt, mög­lichst vie­le Schutzmasken zu pro­du­zieren (Video) „Sie sind keine pro­fessio­nel­len Näherin­nen und nähen, so schnell sie es eben schaffen. Leider spielt unsere Näh­maschine verrückt, und wir haben nur diese eine“, zitiert Romea.cz den Leiter der NGO: „Trotz­dem haben wir [Anm.: bis zum dritten Tag] über 50 Masken fertig­genäht und mehre­re Dutzend fürs Nähen zugeschnitten. Wir vertei­len sie an die Klienten, um die sich ‚Khamoro‘ als Teil unseres Sozial­diens­tes küm­mert. Und zu­gleich tun wir unser Bestes, allen, die Interes­se haben, zu erklären, wie man Gesichts­masken wie diese her­stellt.“

Und auch in vielen anderen Orten in Tschechien sind bereits ähn­li­che Initia­tiven an­ge­laufen. Täg­lich kom­men neue hinzu. Dabei be­dient man sich erfolg­reich der Sozialen Medien, um auch sozial aus­geschlos­sene Roma-Ge­meinden zu er­reichen – um zu infor­mieren, zu ver­netzen und Hilfe zu or­ga­ni­sieren.

(RU/dROMa)

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