Straftaten gegen Roma „nicht bezifferbar“
April 26th, 2014 | Published in Rassismus & Menschenrechte
Deutschland: Antiziganistische Straftaten werden nicht gesondert erfasst. Unklarheit über Dimension des Problems des Antiziganismus
Auf die Frage, wie viele politisch motivierte Straftaten, die sich gegen Sinti und Roma richteten, zwischen seit 2001 registriert wurden, wissen die deutschen Behörden, wie eine parlamentarische Anfrage ergab, keine Antwort. Und das obwohl der sogenannte PMK-Katalog („Themenfeldkatalog Politisch motivierte Kriminalität“) bundesweit Straftaten mit (mutmaßlich) politischem Hintergrund penibel erfasst. Links- wie rechtsextreme Gewaltakte in Deutschland werden darin ebenso verzeichnet wie Propagandadelikte. Der Themenfeldkatalog sieht für die Einordung der Delikte angeblich 22 Oberbegriffe und rund 120 Unterthemen vor. Auch Aktionen radikaler Tierschützer finden beispielsweise als eigene Kategorie Eingang in die Statistik – nicht aber antiziganistische Gewalt. Straftaten gegen Roma und Sinti werden, wie auch Gewalt gegen Muslime, einfach pauschal unter dem wenig aussagekräftigen Oberbegriff „Hasskriminalität“ subsumiert; eine eigene Kategorie wie „Antisemitismus“ gibt es nicht. Rückschlüsse auf Art, Ausmaß und Entwicklung der jeweiligen Straftaten lässt diese Form der Erfassung nicht zu. Genau das wäre aber Sinn und Zweck der Statistik.
Auf die Kleine Anfrage der Grünen vom 20. März (PDF) antwortete das Bundesinnenministerium nun, dass man über keine konkrete Zahlen verfüge. In der Antwort heißt es: „In Ermangelung eines spezifischen eigenen Unterthemas ›antiziganistisch‹ oder gegen ›Sinti und Roma‹ gerichtet, können diese Straftaten jedoch nicht gesondert ausgewiesen werden. Vor diesem Hintergrund sind sie auch nicht bezifferbar.“ Die Bundesregierung spricht von einem grundsätzlichen Problem, „wenn es um die Definition handhabbarer Kriterien für die Erfassung von Straftaten geht, die gegen Sinti und Roma gerichtet sind“. Nicht nur für Arnold Roßberg vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma ist es völlig unverständlich, warum die Behörden bis heute keine solche Definition erarbeitet haben: „Wie sollen denn etwa Polizisten bei Übergriffen vor Ort das Tatmotiv ermitteln, wenn ihnen entsprechende Kriterien und somit Anhaltspunkte fehlen?“ Die Tageszeitung Neues Deutschland schreibt:
Kein Wunder, dass man in Berlin nicht weiß, wie ernst die Situation einigerorts ist. So verweisen die Grünen in ihrem Vorwort zur Anfrage auf zahlreiche Anschläge gegen Mahnmale für die während der NS-Zeit ermordeten Sinti und Roma
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. Allein im sachsen-anhaltischen Merseburg wurde das dortige Denkmal im Zeitraum zwischen 1998 und 2013 achtmal geschändet. Anfang März dieses Jahres passierte es erneut. Da wurde die Stele von zwei Männern mit Fäkalien beschmiert. Zudem gab es immer wieder Brandanschläge auf Wohnungen oder Wohnwagen. Etwa im Juli 2011, als Unbekannte ein von Sinti und Roma bewohntes Haus mit Molotow-Cocktails bewarfen. Dabei brannte eine Wohnung aus, in der sich zum Tatzeitpunkt neun Menschen befanden, die sich aber in Sicherheit bringen konnten.
(dROMa-Red.)