Roma sam: Verzeichnis der Namenlosen

März 23rd, 2009  |  Published in Geschichte & Gedenken, Radio, Podcast & TV, Wissenschaft

Roma samRoma sam
Radio Burgenland:
23.3.2009, 20:40 Uhr/orenge

Eine Datenbank als Denkmal: Das Land Burgenland bemüht sich um die namentliche Erfassung sämtlicher NS-Opfer

Kerezen bei der Gedenkfeier 2008 in Kleinbachselten

Holocaust opfertscha Roma: O arajipe le nacijonalfondsistar la republika Austrijatar potschintschagoskere projektistar „Namentliche Erfassung der Holocaust-Opfer der Roma“ o lejcti kurko ando Burgenland presentirim ulo.

Von den hunderttausenden Opfern, die der Völkermord an den Roma gefordert hat, sind bis heute vielfach weder konkrete Namen noch exakte Zahlen bekannt. Das gilt nicht zuletzt auch für die Burgenland-Roma, die der Vernichtungswille der Nazis mit besonderer Wucht traf: Nach einer Befragung aus dem Jahr 1948 überlebten von den ursprünglich rund 8000 Roma lediglich 900 Personen die „Zigeunerverfolgung“, nur etwa jeder Zehnte entging der Ermordung. Was an Archivmaterial, etwa an Deportationslisten oder Lagerverzeichnissen, heute noch erhalten ist, gibt allerdings nur sehr punktuell und unzureichend Aufschluss über die Einzelschicksale der Opfer. Das Leiden dieser Namenlosen dennoch der Anonymität und dem Vergessen zu entreißen, hat sich das Land Burgenland aus Anlass des Gedenkjahres 2008 vorgenommen.

Vier Historiker (Gerhard Baumgartner, Gert Tschögl, Herbert Brettl und Dieter Szorger) tragen seither in mühevoller Kleinarbeit die biografischen Daten der Opfer der NS-Verfolgung im Burgenland zusammen. Mit der Opferdatenbank, die so entsteht, will man den 1938 bis 1945 Ermordeten ihren Namen zurückgeben und ihnen damit ein „virtuelles Denkmal“ setzen. „Denn sind die Namen ausgelöscht, sind es auch die Menschen selber“, schrieb Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek in einer Grußadresse an das Projekt.

Ende des Vorjahres wurde die rasch anwachsende Datenbank erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Die Namen von über 4.600 Personen konnten in dieser ersten Projektphase bereits eruiert und in das Verzeichnis aufgenommen werden. Mit rund 2.700 biografischen Einträgen, die von Gerhard Baumgartner bearbeitet wurden, stellen dabei die Roma die mit Abstand größte Opfergruppe dar. Aber auch 1.200 Juden, 350 ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter, 320 Euthanasieopfer und 120 politisch Verfolgte sind in der burgenländischen Opferdatenbank bis jetzt erfasst. Diese Zahlen sind allerdings nur eine erste Bilanz; der Aufbau der Datenbank sei als „work in progress“ angelegt, betonen die Mitarbeiter. Und als ein Projekt, mit dem man sensibel umgeht: Aus Datenschutzgründen erfolgt der Zugang zu den biografischen Einträgen daher nur über die Kulturabteilung der Landes.   (Roman Urbaner)

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