Fußball-WM: Gitanos feiern Titel für Spanien

August 20th, 2023  |  Published in Sport

Olga im Siegerinterview nach dem Match (Screenshot: ORF)Das Finale ist geschlagen. Spanien ist Fuß­ball-Welt­meister – und hat das gleich zwei­fach seiner Kapi­tänin zu verdanken: Olga Carmona, einer Gitana (spani­sche Romni) aus Sevilla.

[aktualisiert am 22.8.2023, siehe unten]

Olga Carmona, Star des spanischen Na­tionalteams und nach Angaben spani­scher Roma-NGOs und Medien Gitana aus Sevilla (siehe hier, hier, hier, hier oder hier; auch skepti­sche Stimmen gibt es), war es, die Spanien im Semi­finale gegen Schweden als Team­kapi­tänin kurz vor dem Schluss­pfiff in der 89. Minute doch noch ins WM-Finale schoss. Und Car­mona war es auch, die im heu­tigen Endspiel in Sydney in der 29. Minute das einzige und alles ent­schei­dende Tor er­zielte. Dank der 23-Jäh­rigen siegte Spanien 1:0 gegen England. Und ist Welt­meister.

„Spanien ist vielfältig, und jeden Tag gleicht sein Bild auch mehr und mehr den unter­schied­li­chen Men­schen, die wir hier leben“, freut sich die feminis­tische Gitana-Or­ga­ni­sa­tion „Fakali“ auf Twitter über den Erfolg Carmonas und setzt dem das Motto „gitanas visibles“ (sicht­bare Gitanas) hinzu.

Olgas Karriere auf dem Fußballrasen begann schon als Kind in Sevilla, als Mädchen in der Buben­mann­schaft. Mit dem FC Sevilla, der sie schon mit 15 aus dem Jugend­kader ins A-Team holte, stieg sie in die erste Liga auf. Seit drei Jahren ist die Anda­lu­sierin nun bei Real Madrid unter Ver­trag. Nach Erfolgen im spa­nischen U19-Ju­gend­team, mit dem sie 2018 den Europa­meis­ter-Titel er­kämpfte, wurde sie vor zwei Jahren schließ­lich in die reguläre National­aus­wahl berufen.

„Früher habe ich Flamenco gemacht. Und Schwimmen. Aber meine Brüder waren von ganz klein auf beim Fußball dabei. Ich habe ihnen jeden Nach­mittag zu­ge­schaut, und eines Tages habe ich meinen Eltern gesagt, dass ich mit ihnen trai­nieren möchte. Da hat es mich gepackt. Sie mel­deten mich an und ich spielte ein paar Jahre lang in ihrer Mann­schaft. Einer von ihnen ist mein Zwillings­bruder (Tomás), der andere (Fran) ist ein Jahr älter, sie sind beide Fuß­baller“, erzählte sie in einem Interview. „Ich habe mich immer schon für eine Person mit starkem Charakter ge­halten, ohne Ängste“, be­schrieb sich Olga Carmona ein­mal selbst. Und ihren Uni­versitäts­abschluss als Sportwissenschaftlerin hat sie, so ganz neben­bei, auch bald in der Tasche. „Fußball ist meine Arbeit“, sagt sie, „aber es ist immer gut, sich weiter­zu­bilden, damit man dann irgend­wann in der Zukunft einen Ausweg hat.“

Sie ist übrigens nicht die Einzige mit WM-Ehren. Jesús Navas, Team­kapitän des FC Sevilla und Ur­gestein des spanischen National­teams (mit dem er 2010 Weltmeister und 2012 Europameister wurde) ist eben­falls Gitano – und kommt eben­falls aus Carmonas Heimat­stadt Sevilla. Navas ist der erste und einzige Fuß­baller der Welt, der die Dreifach­krö­nung schaffte: WM, Europacup und UEFA Nations League.

Update, 22.8.2023, 20:30 Uhr:

In den spanischen Sozialen Medien ist nach dem Jubel unter Gita­no-Ver­tre­terinnen eine Kontroverse entbrannt. Der berech­tig­te Einwand: Die Spielerin selbst hat sich zu ihrer ethni­schen Zu­ge­hörig­keit bis dato offen­bar nie öffent­lich ge­äußert; einige wichti­ge Gita­no-Ver­bände sind aber den­noch an die Öffent­lich­keit ge­gangen und haben die WM-Hel­din und ihre Familie als Gitanos „ge­outet“ – anscheinend ohne Rückfragen, ohne Wissen und Ein­ver­ständ­nis, ja sogar gegen den Willen der Familie.

„Gitana ist, wer dies selber von sich sagt. [...] Zwinge niemals jemanden zu einem Outing von dem, was er ist, ganz egal, wie sehr du das auch möch­test“, kritisiert die Publi­zistin und Gitana Silvia Agüero das un­frei­willige Outing. Beatriz Carrillo, Gitana, lang­jährige sozialis­ti­sche Ab­ge­ordnete und – wie Olga Carmona – aus Sevilla, kontert: „Wo ich her­komme, ver­bergen viele Menschen aus Angst ihre Gitano-Her­kunft, gerade auch im Bereich des Fußballs. Eini­ge Beispiele von vielen, aber sehr an­schaulich: Reyes hat es öffent­lich nie gesagt, und seine Agenten wollten das auch nicht, um nur ja seinem Markt­wert nicht zu schaden. Navas hat sich auch nicht zu er­kennen ge­geben. Beide sind Gitanos. Der Fall von Olga wurde mir selbst schon vor einiger Zeit von Personen, die der Welt des Fuß­balls nahestehen, be­stätigt. Und es stimmt, dass sie auch als ,Zigeu­nerin‘ be­schimpft wurde.“

Inzwischen hat ein Tweet an un­schein­barer Stelle, der von Olgas Mutter stammen soll, die Meldung de­mentiert. Olga Carmona selbst hat sich in der Causa bislang nicht er­klärt. Sie hat nach der Nach­richt vom Tod ihres Vaters, die sie kurz nach der Partie erreichte, wahrlich ganz andere Sorgen.

[Anm.: Die Meldungsüberschrift wurde am 25.9.2023 angepasst.]

(Text: dROMa)

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